20.000 wehren sich gegen noch mehr Überwachung

In NRW demonstrieren Tausende gegen Polizeigesetz, das Vorbeugehaft, Staatstrojaner und Schleierfahndung erlauben soll. CDU-Innenminister plant kosmetische Korrekturen

So sah der Protestmarsch in Düsseldorf am Samstag von oben aus Foto: David Young/dpa

Aus Düsseldorf Andreas Wyputta

Gegen das geplante Bürgerrechte massiv einschränkende Polizeigesetz der schwarz-gelben Landesregierung Nordrhein-Westfalens sind am Samstag in Düsseldorf Tausende Menschen auf die Straße gegangen. „Nein zum Polizeigesetz“ und „Die Freiheit stirbt mit Sicherheit“ stand auf den Transparenten der DemonstrantInnen, die in einem dreistündigen Marsch vom DGB-Haus in der Innenstadt zum Landtag am Rhein zogen.

„Wir stehen auf für Demokratie“, hatten RednerInnen wie der Netzaktivist padeluun von der Initiative Digitalcourage schon bei der Auftaktkundgebung deutlich gemacht: „Lasst uns die wahren Verfassungsschützer sein“, rief er. Die VeranstalterInnen zählten bei Ende der völlig friedlichen Demo knapp 20.000 Protestierende. Die Polizei sprach von etwa 9.300.

Mit seinem erst im April vorgestellten Entwurf will Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul der Polizei weitreichende Machtbefugnisse sichern – offiziell vor allem zur Terrorabwehr. Konkret könnte der Begriff einer „drohenden Gefahr“ ins Gesetz geschrieben werden, die auf einer bloßen Vermutung der ermittelnden Beamten beruht. Die Landespolizei könnte dann BürgerInnen bis zu sieben Tage in Vorbeugehaft nehmen – zurzeit sind maximal 48 Stunden erlaubt. Für als „terroristisch“ eingestufte „Gefährder“ soll bis zu ein Monat „Unterbindungsgewahrsam“ möglich sein.

Geplant ist außerdem die starke Ausweitung von ­Internet-, Video- und ­Telefonüberwachung auch durch Staatstrojaner. „Aufenthaltsgebote“ und „Kontaktverbote“ sollen durch elektronische Fußfesseln überwacht werden können. Zudem will die von CDU und FDP getragene Regierung von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet auch die Schleierfahndung und den Einsatz von „Tasern“ genannten Elekroschockpistolen einführen.

Konkret könnte der Begriff einer „drohenden Gefahr“ ins Gesetz geschrieben werden

Zuallererst soll damit gegen KlimaaktivistInnen vorgegangen werden. Als Testregion für die „Taser“ ist offenbar die Region um Kerpen vorgesehen, wo es immer wieder zu Protesten gegen die Braunkohletagebaue Garzweiler und Hambach kommt. „CDU und FDP nehmen billigend in Kauf, dass sie mit dem Gesetz gegen die Verfassung verstoßen“, warnte die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Verena Schäffer, bei der Abschlusskundgebung. Innenminister Reul sei „deshalb selbst ein Risiko für die Freiheit und für unsere verfassungsrechtlich verbrieften Rechte“.

Dabei ist NRW kein Einzelfall. Nur in Thüringen ist bisher keine Verschärfung des Polizeigesetzes geplant. Im CSU-dominierten Bayern, wo im Mai mehr als 30.000 Menschen gegen das dortige „Polizeiaufgabengesetz“ auf die Straße gegangen waren, ist sie ebenso beschlossene Sache wie im grün-schwarzen Baden-Württemberg. Bei den Düsseldorfer Protesten wurde deshalb auch eine bundesweite Großdemonstration für September in Berlin angekündigt.

Schon heute hat der Widerstand erste Erfolge: In Bremen haben die Grünen ein von ihrem Koalitionspartner SPD angeschobenes neues Polizeigesetz ausgebremst. Und in NRW hatten CDU und FDP die neuen, strengeren Regelungen ursprünglich noch vor der Sommerpause durch das Landesparlament peitschen wollen. Die Landtagsopposition aus SPD und Grünen aber meldeten „erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“ an. Ohne Nachbesserungen sei eine Überprüfung durch das Landesverfassungsgericht unausweichlich, drohten die Fraktionschefs Thomas Kutschaty und Monika Düker. Innenminister Reul versprach daraufhin eine „kritische Überprüfung“. Gleichzeitig betont er aber, es gebe Grenzen der Kompromissbereitschaft. „Ich werde das Projekt nicht verbiegen“, tönt der Christdemokrat. Über das Gesetz abgestimmt werden soll jetzt im Herbst.