: Mehr als Stoffe und Schnitte
Mode kann auch fair, ökologisch und vegan sein, wenn auch auf den ersten Blick schwer zu erkennen. Erfreulich für Kunden: Immer mehr Label legen Wert auf Nachhaltigkeit
Von Xenia Helms
Wir tragen die Globalisierung auf unserer Haut: Laut Greenpeace kommen mehr als 90 Prozent unserer Kleidung aus Asien. Die dortige Textilindustrie die größtenteils für die westlichen Märkte produziert, vergiftet die lokalen Gewässer und verursacht enorme Umweltschäden. Hinzu kommen die miserablen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Textilindustrie, zumeist Frauen und Kinder. Wer das alles nicht unterstützen will, muss beim Kleidungskauf genau hinsehen. Orientierung geben dabei einige Standards im Kleingedruckten. Immerhin, die Zahl der Modelabels, die es besser machen, wächst stetig an.
Hilfe zur Selbsthilfe
Blutsgeschwister etwa lässt den größten Teil seiner Produktion zwar in Indien und China fertigen; das 2001 gegründete Unternehmen geht aber mit Blick auf ökologische Produktion und faire Arbeitsbedingungen andere Wege. Und die können verschlungen sein. Gerade die beliebte Biobaumwolle wächst häufig in Ländern, in denen die fairen Arbeitsbedingungen schon allein wegen der Missachtung der Menschenrechte nicht eingehalten werden. „Öko und fair kann also mit der Materialbeschaffung schwer zu vereinbaren sein“, sagt Blutsgeschwister-Gründerin Karin Ziegler. Deshalb habe man die Aufträge aus der Türkei, einer Hauptlieferantin von Biobaumwolle, nach China verlagert. Um sicherzustellen, dass es dort in der Produktion fair zugeht, ist das Unternehmen der Non-Profit-Organisation Fair Wear Foundation (FWF) beigetreten, die sich in den Nähereien dafür einsetzt. FWF steht seinen Mitgliedern als unabhängiger Experte bei der Prüfung und Umsetzung von acht Standards für Arbeitsbedingungen zur Seite. Dazu zählen etwa: existenzsichernde Löhne, Ausschluss von Kinderarbeit sowie sichere und gesundheitsverträgliche Arbeitsbedingungen.
Für die umweltschonende Herstellung von Kleidung ist der Einsatz von Biobaumwolle zwar schon ein erster Schritt in die richtige Richtung. Doch beim Färben, Bedrucken und Imprägnieren werden bis zu 3.000 Chemikalien eingesetzt. So kommt etwa das weit verbreitete Siegel „Oeko-Tex 100“ in der kürzlich aktualisierten Broschüre „Textil-Siegel im Greenpeace-Check“ schlecht weg: weil es sich nur auf das schadstofffreie Endprodukt beziehe und der Chemikalieneinsatz in der Fabrik bei diesem Siegel keine Rolle spiele. Ähnlich wie die Herstellung von Baumwollstoffen ist auch die von Leder, also die Gerbung von Tierhäuten, ein extrem giftiger und umweltschädlicher Prozess. Veganer*innen verzichten nicht nur darauf, sondern auch auf Stoffe wie Wolle, Daunen, Pelz, Seide und Horn. Stattdessen greifen sie zu Kork, Hanf, Baumwolle oder Tencel®. Dieser Stoff wird aus der Zellulose von Eukalyptus gewonnen. Kunststoffe sind unter ökologischen Gesichtspunkten hingegen keine Alternative. Mikrofasern aus Synthetikstoffen lösen sich bei jedem Waschen als kleinste Faserteile aus der Kleidung. Dieses Mikroplastik landet im Meer und kommt teils durch die Nahrungskette zu uns zurück. Zwischen 15 und 31 Prozent des Kunststoffs, der im Meer schwimmt, könnten aus solchen primären Quellen stammen. Kläranlagen filtern nicht alles heraus, und der Abbau des Klärschlamms bleibt problematisch.
In Berlin verkaufen unter anderem diese Läden möglichst faire, nachhaltige, vegane Mode und Schuhe:
Avesu: Schivelbeiner Str. 35, 10439 Berlin und Warschauer Str. 33, 10243 Berlin, avesu.de
Blutsgeschwister: hat bundesweit 15 Geschäfte, u. a. in den Hackeschen Höfen: Rosenthaler Str. 40–41, Hof 2, 10178 Berlin, blutsgeschwister.de
Flagshipstore: Oderberger Str. 53, 10435 Berlin, flagshipstoreberlin.de
Loveco: Sonntagstraße 29, 10245 Berlin und Manteuffelstraße 77, 10999 Berlin, loveco-shop.de
Supermarché: Wiener Straße 16, 10999 Berlin, supermarche-berlin.de
PETA-Einkaufsführer für „tierleidfreie“ Mode im Onlineversandhandel: veganemode.info
Über die Kleidung hinaus
Nur sehr wenige Modefirmen stellen komplett vegane, nachhaltige, faire Vollsortimentkollektionen von Ober- und Unterbekleidung, Jacken, Mänteln und Accessoires her. So sind die Modelle des veganen Labels Bleed Clothing aus dem oberfränkischen Helmbrechts eher im Segment Streetwear angesiedelt und einfach konstruiert wie T-Shirts oder Jerseykleider. Fündig werden Konsument*innen eher in Spezialkaufhäusern, die mehrere Marken unter einem Dach präsentieren, wie Supermarché oder das Naturkaufhaus oder bei lokalen Designer*innen, die Unikate und Kleinauflagen selbst fertigen. Nachhaltigkeit in der Modebranche geht jedoch noch weit über die Kleidungsproduktion hinaus und erstreckt sich beispielsweise auch auf den ökologischen Fußabdruck der Provider von Onlineshops und Firmenwebsites, den Warenversand und die Einrichtung der Ladengeschäfte und Entwurfsbüros.
Weil es den absolut korrekten Weg nicht gibt, können ökologisch bewusste Verbraucher*innen vor allem eines tun: weniger und bewusster Kleidung kaufen. Denn bislang wird von dem, was im Schrank oder auf der Stange landet, nur wenig getragen. Eine Greenpeace-Umfrage von 2015 ergab, dass die Deutschen 5,2 Milliarden Kleidungsstücke besitzen. 40 Prozent davon werden selten oder nie angezogen. Tauschen wäre noch eine Möglichkeit. Aber auch das haben 83 Prozent der Befragten noch nie getan.
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