DFB-Mannschaft in der Krise: Sehnsucht nach Wandel
Bundestrainer Joachim Löw ist nicht für die großen Veränderungen bekannt. Gegen Schweden muss er seine klare Hackordnung auflockern.
Ein Unterschied ist schon einmal markant. Vor diesem zweitem WM-Auftritt der Deutschen mit dem so erdrückenden finalen Charakter weiß keiner so genau, welche elf Spieler die Last der Verantwortung gegen Schweden schultern sollen. Vor dem WM-Start hatte Joachim Löw ja noch einen selbstbewussten Glasnost-Kurs gefahren. Den Einsatz von Julian Draxler, eine der wenigen Fragen, bestätigte er einen Tag vorab.
Der Rest des Puzzles ergab sich von selbst aus den Löw’schen Vorlieben. Die Berechenbarkeit der Deutschen hob Mexikos Trainer Juan Carlos Osorio geradezu provokant hervor, als er nach dem Überraschungserfolg erklärte, der Matchplan sei ein halbes Jahr alt gewesen.
Vieles spricht dafür, dass an diesem Samstag die deutsche Mannschaft etwas aufgefrischt wird. Das Verlangen nach Veränderung und mehr Unberechenbarkeit ist zu groß, um diese Aufgabe demselben Personal zu überlassen. Zumal DFB-Teammanager Oliver Bierhoff mit seinen Bemerkungen bereits in diese Richtung wies: „Natürlich weiß der Jogi, was er an bewährten Spielern hat, aber wir haben natürlich auch aufstrebende, junge Spieler, die das im Confed Cup gezeigt haben. Das muss jetzt genau überlegt werden. Irgendeinen Impuls wird es dann schon geben.“
Bislang hat sich Joachim Löw nicht in die Karten schauen lassen. Öffentliche Auftritte hat er nach dem fatalen Start bis zum Pflichttermin am Freitagabend in Sotschi, der obligatorischen Pressekonferenz vor der Partie, gemieden. Hier in Sotschi hatte das DFB-Team schon vor einem Jahr beim von Bierhoff angesprochenen Confed Cup ihr Quartier, als Löw nach dem WM-Titel sein wahrscheinlich größtes Kunststück gelang. Mit einer B-Auswahl, die in dieser Konstellation noch nie zusammengespielt hatte und der niemand etwas zutraute, gewann er den Titel. Und weil die deutsche U21 kurz zuvor auch noch Europameister wurde, hyperventilierten viele Experten.
These des Überangebots wenig glaubhaft
Ex-Nationalcoach Jürgen Klinsmann prophezeite dem DFB eine goldene Zukunft und sagte: „Kein anderes Land dieser Welt verfügt derzeit über ein ähnlich großes Potenzial im Bereich zwischen 21 und 26 Jahren.“ Löw könne sich aus einem Kreis von 50 Spielern bedienen. Überspitzt kann man sagen, es wurde von vielen der Eindruck vermittelt, der DFB könne zwei Teams nach Russland schicken und das Finale gegen sich selbst austragen.
Die wahren Stärken des deutschen Teams
Wenn man sich die Kasteiung des deutschen Teams der vergangenen Tage betrachtet, mag man gar nicht glauben, dass diese Kapitel tatsächlich auch aus der jüngsten DFB-Geschichte stammt. Und wenn man sich die Startelf gegen Mexiko anschaut, mag man an die These des Überangebots nicht so recht glauben. Löw bot zuletzt immer dieselbe Aufstellung an. Eine wirkliche Neuerung war lediglich die Einbettung vom Confed-Cup-Torschützenkönig Timo Werner in die Startelf.
Die begrenzten Aufstiegsmöglichkeiten, so wird spekuliert, könnten in den letzten Wochen im Team zu Verwerfungen geführt haben. Eine plausible These, die natürlich nie aus dem DFB-Tross bestätigt werden würde. Auch das wäre für Löw ein Grund, seine klare Hackordnung etwas aufzulockern. Die Partie gegen Mexiko bietet weiteren Anlass dafür.
Sami Khedira hat sich mit seinen spielentscheidenden Fehlern im Aufbauspiel nicht für einen zweiten Einsatz empfohlen. Zudem gegen Schweden mehr Dynamik hilfreich wäre. Das könnte eine Chance für İlkay Gündoğan sein. Ebenfalls brachten Marco Reus und Julian Brandt gegen Mexiko mehr Schwung ins Spiel. Auch taktische Veränderungen sind wahrscheinlicher denn je. Die Offenheit der rechten Abwehrseite ist nicht erst seit dem Mexiko-Spiel ein Problem.
Das schwedische Team wiederum ist auf Überraschungen und Wechsel eingestellt. Albin Ekdal, der Profi vom Hamburger SV, hat sogar sehr präzise Erwartungen. Er rechnet mit drei Änderungen in der deutschen Startelf. Noch genauer wollte er nicht werden: „Wen ich austauschen würde, werde ich aber nicht sagen.“
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