piwik no script img

Leben mit dem, was man hat

Bei den Grünen entscheidet womöglich doch eine Urwahl über die Spitzenkandidatin. Der Landesvorstand bekommt an der Basis einen Dämpfer, Karoline Linnert auch

Ihr Machtanspruch steht, aber an der Basis sind viele Grüne von Karoline Linnert nicht mehr so recht überzeugt Foto: Ingo Wagner/dpa

Von Jan Zier

Als die Entscheidung der Basis gefallen war, blieb der Beifall dünn. Zwar haben die Grünen mit großer Mehrheit dafür votiert, mit einem Frauentrio an der Spitze in die Landtagswahl zu ziehen – also mit Finanzsenatorin Karoline Linnert, Fraktionschefin Maike Schaefer und Sozialsenatorin Anja Stahmann. Ein Mandat für die amtierende Bürgermeisterin ist das aber nicht: Die Frage, ob Linnert – wie ihr und vom Landesvorstand gewünscht – auf Platz eins der Liste kandidieren darf, bleibt bis zum Dezember explizit weiter offen.

Dafür gesorgt hat ausgerechnet ein Antrag von Linnerts innerparteilichem Kontrahenten Matthias Güldner. Der frühere Fraktionschef war es auch, der durchgesetzt hat, dass der Landesvorstand „prüfen“ muss, die Basis in einer Urabstimmung über die Besetzung der Spitzenkandidatur entscheiden zu lassen. In der Frage, ob es darüber eine Urabstimmung geben muss, ist die Partei aber gespalten: Auf der Landesmitgliederversammlung am Montag waren 88 Grüne dagegen, 72 dafür.

Florian Kommer vom Landesvorstand sieht in einer Urwahl jedoch eine „Verschleppung“ und warnte, die Grünen könnten nun als „zerstrittener Haufen“ dastehen. Zuvor war die Parteiführung für ihre „Hinterzimmer-Politik“ kritisiert worden; sie musste sich anhören, „undemokratisch“ und „unfair“ zu sein. Der Altgrüne Dietrich „Hucky“ Heck forderte Linnert auf, nicht wieder als Spitzenkandidatin anzutreten.

Dabei hatte sich Parteichefin Alexandra Werwath erst mal bei der Basis entschuldigt: „Wir wollten Euch nicht überrumpeln“, sagte sie über die vielfach kritisierte Nominierung des Kandidatinnentrios mit Linnert an der Spitze. Und sie gab zu: „Unsere Kommunikation war schlecht.“ Ein ehrliches Argument für das dreiköpfige Team hatte sie aber auch: „Manchmal muss man mit dem leben, was man hat – und darauf stolz sein.“ Anders als in der Bundespartei sei in Bremen ein personeller Aufbruch eben gerade nicht drin.

„Unsere Kommunikation war schlecht“

Alexandra Werwath, Grünen-Parteichefin

Doch während Linnert auf die Kritik an der Basis mit einer halb verletzt, halb beleidigt wirkenden Rede reagierte und dafür langen, anerkennenden, aber auch etwas pflichtschuldigen Applaus erntete, begeisterte Schaefer mit einer kämpferischen Rede. Dass auch sie gerne Spitzenkandidatin werden würde, ist ein offenes Geheimnis. Und dass nicht nur Matthias Güldner in ihr die bessere Wahl sieht, ist auch klar. „Karo kann es, Maike will es“, sagte Stahmann, und attestierte sich, „ein bisschen verrückt zu sein“. Sich will die Sozialsenatorin ohnedies eher ungern auf Wahlplakaten sehen – sie verzichte zugunsten der Bienen, sagte sie.

Also „Inhalte statt Köpfe“, wie es an der Basis manchmal heißt? „Das ist verlogen“, sagt Kommer. „Es geht nicht nur um Inhalte“, sagte Landessprecher Ralph Saxe und griff Güldner frontal an: Die Forderung nach einer Urabstimmung „sei nicht ganz ehrlich“, denn Güldners Ziel sei ja doch: „Karo soll weg“. Und er ließ es sich auch nicht nehmen, das „zerrüttete Verhältnis“ von Linnert und Güldner gegen dessen Antrag ins Spiel zu bringen. Beifall bekam Saxe dafür kaum, und am Ende setzte sich Güldner durch, nicht der Landesvorstand.

Selbst um die Mehrheit für einen weiteren Antrag musste die Parteispitze zunächst bangen. Denn sie will – anders als bei der letzten Bürgerschaftswahl – die Liste auf 28 Personen begrenzen und mit einem dreiköpfigen Gremium dafür sorgen, dass die KandidatInnen parteitreu sind. Schließlich hat sie in der laufenden Wahlperiode gleich zwei Abgeordnete verloren – Turhal Özdal ist nun bei der CDU, Susanne Wendland parteilos.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen