piwik no script img

„Boden mit Chemie vergiftet“

BAUMKONTROLLE Der Herbst bringt bedrohliche Äste, Verkehrsunfälle und Nachbar-Zwist, sagt Oliver Gaiser vom Hamburger Institut für Baumpflege

Oliver Gaiser

■ 38, Diplom-Ingenieur Forstwirtschaft und Baumsachverständiger vom Institut für Baumpflege in Hamburg.

taz: Herr Gaiser, Sie sind, äh, Baum…

Oliver Gaiser: …sachverständiger oder Baumgutachter. In der Presse manchmal auch der Baumdoktor.

Dann erzählen Sie mal aus Ihrer beruflichen Praxis: Wann untersuchen Sie eigentlich einen Baum?

Normalerweise, wenn er im Hinblick auf seine Verkehrssicherheit geprüft werden muss. Oder weil ein Baum im Garten krank oder vom Umstürzen bedroht ist. Auch beim Hausbau ist auf einiges zu achten.

Und zwar?

Es gibt meist Baumschutzsatzungen. Darin ist geregelt, wie mit dem Bestand umzugehen ist. Ein anderer Punkt ist die Planung. Für einen Architekten ist der Baum nur ein Punkt auf einem Zettel. Aber er hat einen ausgeprägten Wurzelbereich, eine Krone. Daher sollte eventuell erst ein Schutzzaun aufgebaut werden, bevor der Bagger loslegt.

Was sind die wichtigsten Anzeichen für einen „Gefahrenbaum“?

Ein Spechtloch in der Krone, größere, erkennbare Fäule, Astungswunden, tote Äste in der Krone, Risse im Stamm und Pilzbefall sind mögliche Anzeichen.

Und dann wird gefällt?

Nein, nur im Ausnahmefall. In der Regel dürfen Bäume sowieso nur von Oktober bist Ende Februar gefällt werden, so steht es im Bundesnaturschutzgesetz. Bevor aber eine Gruppe Schüler erschlagen wird, ist es bei akuter Gefahr natürlich auch im April möglich.

Was kann man stattdessen tun, um einen Baum gesund zu pflegen?

Es gibt verschiedene schonende Maßnahmen: Bänder, die ausbrechende Baumteile zusammenhalten, um die Krone zu sichern. Oder einzelne tote Äste herausschneiden. Auch den Baum insgesamt einzukürzen ist denkbar, damit er dem Wind weniger Angriffsfläche bietet. Es gibt ganze Regelwerke, damit die ausführende Firma die Gutachten auch nicht falsch interpretiert.

Also ist bei fachkundiger Betrachtung immer klar, was zu tun ist?

Meistens ja. Aber ich habe auch schon erlebt, dass ich einen Baum auf einem Grundstück als gefahrlos eingestuft habe, der Gutachter des Nachbarn dagegen über den gleichen etwas völlig anderes geschrieben hat: Er sei gefährdet, auf das angrenzende Grundstück zu fallen, außerdem würden Harz und die herüberfallenden Baumnadeln Dreck machen.

Oh, das riecht ja nach einem handfesten Nachbarschaftsstreit.

Ja, da wurde sich lautstark beschuldigt und angeschrien. Es gab dann einen zweiten Termin mit einem Rechtsanwalt.

Aber das sind dann wohl doch eher Einzelfälle …

Nein, das kommt tatsächlich des Öfteren vor. Sie können sich gar nicht vorstellen, worüber sich die Leute streiten. Über Laubfall, Schattenwurf und heruntergefallene Äste. Ein Nachbar hat mal in einer Nacht- und Nebelaktion den Boden rund um den Baum in einer Parkanlage mit Chemikalien vergiftet, weil ihn der Schatten gestört hat.INTERVIEW: ARNE SCHRADER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen