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heute in hamburg„Viele standen vollkommen unter Schock“

Hans-Christian Dahlmann, 42, hat mehrere Jahre in Warschau gelebt und schrieb seine Doktorarbeit zum Thema Antisemitismus 1968 in Polen.

Interview Mareen Butter

taz: Herr Dahlmann, war die 68er-Bewegung in Osteuropa links oder rechts?

Hans-Christian Dahlmann: Das ist nicht die entscheidende Kategorie. Die Studenten, die in Polen demonstriert haben, haben die Forderung nach mehr Freiheit erhoben und hatten die Vorstellung, dass sie das System des realen Sozialismus auf einen besseren Weg bringen würden.

Worin unterscheidet sich die 1968er-Bewegung in den Ostblockstaaten zu jener in Deutschland?

Der Unterschied war natürlich die äußere Rahmenbedingung. In Deutschland gab es die Möglichkeit zu protestieren, auch wenn es Überreaktionen gegen die Demonstrationen gab. Die Studenten in Polen hatten dieses Maß der Freiheit nicht. Aber beide Bewegungen verbindet, dass sie die erste Generation nach dem zweiten Weltkrieg waren und sie bestimmte Verhältnisse infrage stellten.

Welche Auswirkungen sind bis heute spürbar?

Für Polen war das Jahr 1968 ein Einschnitt dahingehend, dass die Oppositionellen, die das System zuvor unterstützt hatten, durch die Bewegung ihre Meinung änderten. Es waren die Gleichen, die an der Wende 1989/90 maßgeblich beteiligt waren. Auch heute beschäftigt man sich in Polen noch viel mit der Frage, was damals passiert ist. Aber einen Gesellschaftswandel wie er in Westeuropa in Gang gesetzt wurde, gab es nicht.

Gab es Zusammenschlüsse der Studierenden in Osteuropa und Westeuropa?

Vortrag „1968 in Osteuropa: Reformen und Gegenbewegung“: 18.15 Uhr, Staats- und Universitätsbibliothek, Von-Melle-Park 3, Vortragsraum 1. Etage, Eintritt frei

Explizite Zusammenschlüsse gab es nicht. Die Dissidenten in Osteuropa haben jedoch immer Kontakte im Westen gesucht, um Texte zu veröffentlichten, weil es in Polen nicht ging.

Was hat Antisemitismus mit den Ereignissen zu tun?

Unter den demonstrierenden Studenten gab es nicht wenige, die jüdischer Herkunft waren. Obwohl das eigentlich keine Rolle spielte und viele keine jüdische Identität hatten, starteten Parteifunktionäre eine antisemitische Hasskampagne, in der behauptet wurde, dass Juden die Drahtzieher der Proteste sind. Ausgehend davon kam es auch zu antisemitischen Parolen auf Parteiversammlungen, wo Mitglieder jüdischer Herkunft ausgeschlossen wurden. Viele standen daraufhin vollkommen unter Schock, da sie nicht damit gerechnet hatten, dass so etwas wieder möglich war, wenn auch rein auf verbaler Ebene. Sie reisten aus.

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