piwik no script img

AfD-Demo und GegenprotesteGlänzen, strahlen, tanzen

13 Bündnisse rufen gemeinsam zu Veranstaltungen gegen die AfD-Demo am Sonntag auf. Dabei sind Künstler, Geflüchtete und viele Berliner Clubs.

Bei einer Anti-AfD-Demo im Februar in Berlin Foto: dpa

Berlin taz | Das Berliner Regierungsviertel möchte die AfD am Sonntag in ihrem Blau sehen. Die Mobilisierung zu ihrer Demo „Zukunft Deutschland“ scheint jedoch nur schleppend voranzugehen. Der Landesverband Rheinland-Pfalz bietet den ersten 30 Demo-Interessierten schon eine 50-Euro-Prämie für die Teilnahme an dem Aufmarsch an.

Auf der anderen Seite scheint es deutlich besser zu laufen. Ein breites Bündnisgeflecht aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, Parteien, KünstlerInnen, Theatern und nicht zuletzt Berliner Clubs ruft zu Protesten und Blockaden auf.

„Wenn wir auf die AfD schauen, erkennen wir Deutschlands Vergangenheit, aber keine Zukunft“, erklären die Aktiven der Anarche, einem Boot, das als „schwimmende Protest­arena“ Teil einer Wasserdemo ist, die auf der Spree demonstrieren wird. Die AfD plant ihre Auftaktkundgebung für 12 Uhr am Washingtonplatz. Da will der maritime Protestzug bereits vor Ort sein. Auf der Landseite sind derweil eine Vielzahl Kundgebungen und Demos geplant.

Die beiden Blockadefinger laden Interessierte ein, sich bereits um 11 Uhr am Gesundbrunnen oder dem Mehringplatz anzuschließen. Ebenfalls um 11 Uhr startet am Wein­bergs­park in Mitte die „Glänzende Demo“. Darstellende KünstlerInnen und Theater rufen dazu auf, in glänzenden und strahlenden Kostümen zu erscheinen, „um den dumpfen Hasstönen“ ein glamouröses Happening entgegenzustellen. Unter dem Label „Die Vielen“ hat dieser Zusammenschluss im vergangenen Jahr schon gegen einen rechtsradikalen Aufmarsch aus dem Umfeld der Identitären Bewegung mobilisiert.

Blau oder bunt

Aufruf der AfD Die AfD lädt Mitglieder und Sympathisanten ein, am Sonntag in Berlin einen „Tag der Abrechnung mit der verantwortungslosen deutschen Politik“ zu begehen. Zu den angekündigten RednerInnen gehört vor allem Parteiprominenz, unter anderem Beatrix von Storch, Alexander Gauland, Jörg Meuthen und Albrecht Glaser.

Zivilgesellschaftlicher Protest Der Bündnisaufruf „Stoppt den Hass“ wird von einer großen Zahl sehr diverser UnterzeichnerInnen unterstützt. Dazu gehören antifaschistische Gruppen genauso wie Nachbarschaftsinitiativen, gewerkschaftliche und Parteigliederungen, kurdische Verbände und Geflüchtetenorganisa­tio­nen. (krt)

Die zentrale Kundgebung unter dem Motto „Stoppt den Hass! Stoppt die AfD!“ soll um 11.30 Uhr auf der Reichstagswiese starten. „Unsere Alternative ist eine demokratische und offene Gesellschaft, unsere Alternative heißt Solidarität!“, heißt es im Aufruf des Bündnisses.

Ein Facebook-Mobilisierungsvideo von Renate Künast zu dieser Veranstaltung war in den vergangenen Tagen zum Magneten vieler hasserfüllter Anwürfe gegen die Grünen-Abgeordnete und die OrganisatorInnen der Gegenproteste geworden. Künast quittierte das knapp mit „Jetzt erst recht“.

Um 12 Uhr schließlich startet auf dem Bertolt-Brecht-Platz die Kundgebung des antirassistischen Bündnisses „We’ll come united“. Dessen Sprecher Samee Ullah erklärte im Vorfeld die Notwendigkeit des Protestes gegen die AfD aus der Sicht von Geflüchteten und MigrantInnen. Die Bedrohung, der diese sich ausgesetzt sähen, sei unbedingt einzudämmen. „Wir alle sind die Zukunft Deutschlands. Gemeinsam kämpfen wir für ein besseres Deutschland“, so Ullah.

Der Verlauf der Demonstration „Hauptsache es knallt – AfD wegbassen“ war bis zuletzt unklar. Mit 14 Wagen wollen Berliner Clubs den städtischen Raum mit dem bereichern, was sie am besten können: offen und bunt feiern. In seinem Aufruf für diese besondere After-Hour zieht das Bündnis Reclaim Club Culture eine direkte Linie zwischen dem von der AfD propagierten Hass und der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft.

KünstlerInnen und Theater rufen dazu auf, in glänzenden und strahlenden Kostümen zu erscheinen

„Sichtbare Merkmale sind die Verschärfungen der Regierungspolitik gegen Geflüchtete, die Aufrüstung der sog. Inneren Sicherheit und – als Gipfel der Geschmacklosigkeit – das Heimatministerium“, heißt es da und weiter: „Dieser Zustand ist nicht tanzbar.“

Mit weiteren Aktionen ist sicherlich zu rechnen. Ob die AfD also wirklich wie geplant um 16 U hr ihre Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor abhalten kann, ist also durchaus offen. Der größtmögliche Erfolg für die GegendemonstrantInnen und BlockiererInnen dürfte wohl sein, wenn das Regierungsviertel nicht in Einheitsblau, sondern in allen Farben des Regenbogens erstrahlt – ganz egal, ob es der AfD gelingt, überhaupt vom Washingtonplatz loszulaufen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Rechtsradikale Entwicklungen und Denkweisen bekämpft man nicht mit Wegtanzen und Happenings. Schon gar nicht, indem man versucht, andere an der Wahrnehmung eines Verfassungsrechts zu hindern.

    Sinnvoller wäre die Wiederherstellung des Vertrauens in den Rechtsstaat, die Wiederherstellung einer klassischen Demokratie, indem sich die Politik um die tatsächlichen Probleme der Bevölkerung kümmert. Ernsthafte politische Auseinandersetzung anstelle von automatisiertem hysterischen Gebrüll. Veränderungen anstreben anstatt nur "Zeichen setzen". Das ist Kindergeburtstag statt politischer Agitation.

  • Wichtig ist es auch, dass die Bündnisse die Zusammenarbeit fortführen und auf weitere Themen ausweiten und auch von einander lernen. Es gibt Unterschiede je nach Organisation, Bündnis oder Partei.

     

    Zitat: „Sichtbare Merkmale sind die Verschärfungen der Regierungspolitik gegen Geflüchtete, die Aufrüstung der sog. Inneren Sicherheit und – als Gipfel der Geschmacklosigkeit – das Heimatministerium“, heißt es da und weiter: „Dieser Zustand ist nicht tanzbar.“

     

    Eine ähnliche Position vertritt auch z.B. die Arbeitsloseninitiative „BASTA“, die rd. 1.000 Unterstützerin Berlin hat und sämtliche Benachteiligungen von Geflüchteten oder EU-Migranten einschl. Obdachlosen Migranten ablehnt.

     

    Basteln wir eine Hypothese zusammen und sagen:

     

    „Die Diakonie ist am Grundgesetz (v.a. Art. 1, 20 GG und sämtliche Grundrechte), was den gemeinsamen Nenner in Deutschland bilden soll, am nächsten ist, als irgendeine politische Partei.

     

    Welche Schlüsse würden wir daraus ziehen, wenn dass zutrifft?

     

    Zum einen Kirchen (Evangelische, Römisch-Katholische, Orthodoxe, Jüdische Gemeinde, Muslimische Gemeinde) müssen viel mehr politischer Werden und immer stärker ins Licht der Öffentlichkeit Rücken u. a. von sich aus viel öfter, je nach Kontext - gemeinsam und zudem einen breiteren Weg (Zeitungen, Fernsehen, Radio, Internet allgemein, Online-Foren und Communitis speziell, Initiativen, Verbände, Bündnisse…) an die Öffentlichkeit suchen. Und andererseits die politischen Parteien sollten die Sichtweisen dieser Organisationen besser kennen lernen und bei deren Projekten mehr unterstützen!

     

    Es gibt gegenwärtig einen starken Rechtsruck und sozial diskriminierende Entwicklungen in Deutschland, der EU und Weltweit (v.a. USA). Gemeinsam kann man alles erreichen! Ein Streichholz kann aus einem Feuer einen kurzen Brand machen; ein großes und dauerhaftes Feuer kann das gesellschaftliche Eis - bestehend aus Hass und Gier - langfristig, flächendeckend und nachhaltig zum Schmelzen bringen!

  • Doch ist Berlin als Demonstrationsort von der AfD bewusst gewählt, wie die Organisatoren einräumen. "Weil wir hier die größte Aufmerksamkeit erreichen", sagt Bundesvize Pazderski. Und zwar in jedem Fall: Wenn die Teilnehmer der AfD das Brandenburger Tor erreichen, war die Demonstration ein Erfolg. Wenn Gegendemonstranten die Straßen blockieren oder Einzelne so auftreten, dass die Polizei die AfD nicht weiterziehen lassen kann, dann könnte die AfD darauf verweisen, dass "der Rechtsstaat versagt" hat, wie Kalbitz betont. Eine blockierte Demonstrationsstrecke zeige doch: Seht, die anderen verweigern uns unser Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.

     

    Es wäre eine Botschaft, die sich in den Hausmedien der AfD und auf Facebook dann millionenfach verbreiten könnte. Die AfD als Märtyrer – für die Partei eine äußerst komfortable Situation: "Wir können nur gewinnen", sagt Kalbitz. Eins ist der AfD am Sonntag sicher: Aufmerksamkeit. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-05/afd-demonstration-berlin-aufmerksamkeit

  • Über so viel Beachtung freut sich mal wieder die AfD!

    ...