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Rumpelnder Rückschritt

Die DFB-Elf liefert gegen die Slowakei ihr schlechtestes Länderspiel unter Jürgen Klinsmann ab. Nach der 0:2-Niederlage wähnt sich der Bundestrainer aber nach wie vor auf einem richtigen Weg

VON MARKUS VÖLKER

Sage keiner, Jürgen Klinsmann wäre ein pflegeleichter Spieler gewesen. Wenn er es für angebracht hielt, konnte er ziemlich unangenehm werden. In eine Werbetonne hat er einst im Kung-Fu-Stil getreten, gehörig für Aufsehen gesorgt und sich nebenei den Fuß an einer scharfen Kante aufgeschlitzt. Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni hatte den Stürmer seinerzeit ausgewechselt. Solch sichtbare Affekte leistet sich der nun als Bundestrainer waltende Klinsmann nicht mehr, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Aber aus der Gemütsruhe kann der Wahlkalifornier noch geraten – wie nach dem 0:2 der DFB-Elf gegen die Slowakei in Bratislava geschehen, der dritten Niederlage unter seiner Ägide und dem ersten Spiel ohne DFB-Tor.

Da stand Klinsmann in einem Fernsehstudio, neben sich Franz Beckenbauer, der nicht nur das Spiel bekrittelte, sondern auch die x-te Lanze für den diesmal abwesenden Torhüter Oliver Kahn brach. Beckenbauer hält Klinsmanns Torwartsplitting für einen g’scheiten Schmarrn. Das sagte er im Beisein des Schwaben natürlich nicht. Nein, der WM-Chef begründete seine Aversion ebenso freundlich wie detailreich. Klinsmann wurde zunehmend unruhiger, ein gequältes Lächeln lief über sein Gesicht, das abrupt in ein Stirnrunzeln überging. Klinsmann mag in diesen Sekunden der Beckenbauer’schen Belehrung mehrmals mental in die Tonne getreten haben, vor allem beim Satz der Lichtgestalt, man müsse sich angesichts der soeben gesehenen Leistung „an frühere Zeiten gewöhnen“, also an gepflegten Rumpelfußball aus deutschen Landen. Um Besonnenheit bemüht, entgegnete Klinsmann: „Immer dieses Sicherheitsdenken hierzulande.“ Diese Sicherheit könne er seinen Spielern nicht garantieren, auch den Torhütern nicht. „Wir geben keine Garantieverträge.“ Man hatte die Argumente zur Causa Keeper ausgetauscht, eine Analyse des Freundschaftsspiels blockte Klinsmann indes weitgehend ab.

Nur so viel: „Wir lassen uns das Lächeln nicht nehmen, wenn wir ein Spiel vergeigen. Wir müssen diese Niederlage hinnehmen, den Kopf hochnehmen und weitermachen.“ Was klingt wie eine Drohung, will Klinsmann programmatisch verstanden wissen. Unabänderliches Ziel des schwäbischen Schwadroneurs im nationalen Auftrag: der WM-Titel. Am Samstagabend war die Elf des Deutschen Fußball-Bundes freilich so weit vom Gewinn des World-Cups entfernt wie die Raumstation ISS vom Boden der Erde. Das Spiel der Klinsmänner bewegte sich in fernen Sphären, vor allem in der Abwehr kulminierten die Probleme. Wieder einmal. Die jüngste Aufstellung lautete wie folgt: Patrick Owomoyela auf rechts, zentral Christian Wörns und Per Mertesacker, linksaußen hatte Thomas Hitzlsperger Posten bezogen. Um ein Debakel wie in den Niederlanden zu vermeiden, hatte Klinsmann seine Spieler zu einem forschen Auftritt angehalten, was für die abwehrenden Außenspieler bedeutete, dass sie wie von der Tarantel gestochen die Flanken hoch- und runtersprinteten. Sie betätigten sich als Außenstürmer – und Abwehrkräfte.

Das mag im modernen Fußball ein Gebot sein, jedoch nicht in dieser extensiven Variante. Die Doppelbelastung der armen Außen hatte zur Folge, dass die Defensive instabiler denn je kickte, zumal Mertesacker diesmal in Robert Vittek seinen Arjen Robben gefunden hatte, sich also wie neulich Wörns einem Stürmer widmete, der mit ihm Katz und Maus spielte. Kein Wunder, dass der Profi von Hannover 96 einen Elfmeter verschuldete, den Miroslav Karhan verwandelte und höchstselbst mit einem schönen Heber zur 2:0-Führung ausbaute. Auch dies ein Abwehrfehler, welcher der offensiven Ausrichtung der Defensive geschuldet war. Offensichtlich waren die Mittelfeldspieler nicht darauf eingestellt, fehlende Glieder in der Kette zu ersetzen.

Ein ums andere Mal brachen die Angriffe der flinken Slowaken über die verunsicherten Vier herein. Die Gastgeber hatten derart leichtes Spiel, dass Torschütze Karhan lapidar feststellte: „Es war einfach, gegen diese Abwehr zu spielen, da war etwas nicht in Ordnung.“ Aber nicht nur an dieser Stelle lag einiges im Argen. Auch der Sturm tat sich schwer. „Wir hätten noch drei, vier Stunden weiterspielen können und kein Tor geschossen“, sagte Bernd Schneider – lag damit aber nicht ganz richtig.

Nachdem die Slowaken ihre Besten für das WM-Qualifikationsspiel am Mittwoch gegen Lettland schonten, schien es, als könnte die DFB-Elf wie schon gegen Holland den Rückstand aufholen. Chancen gab es. Genutzt wurden sie nicht. Kein schlechter Umstand, denn nun geht mit der Niederlage ein Dokument der Unterlegenheit in die Annalen ein und kein kaschierendes Remis. Außerdem gerät Klinsmann unter Rechtfertigungsdruck. „Wenn es Kritik gibt, soll es Kritik geben“, weiß der Bundestrainer darauf zu antworten. „Wir machen einen Schritt nach dem anderen und lassen uns nicht verleiten“, ergänzt er. Es könnte ein munterer Marsch in die Vergangenheit werden.

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