Staatstrojaner in Hessen: Noch regt sich Widerstand
In Hessen streiten CDU und Grüne um die Möglichkeit für den Verfassungschutz, Staatstrojaner einzusetzen. Nach heftigem Protest lenken die Grünen ein.
Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, werden ihre Parteifreund*innen im hessischen Landtag schon bald den Landesverfassungsschutz genau dazu ermächtigen: Staatstrojaner einzusetzen und aus Computern und Smartphones private und intime Daten auszulesen. Das nämlich sieht der Gesetzentwurf vor, den das schwarz-grüne Regierungsbündnis bereits in den hessischen Landtag eingebracht hat. Das Regierungsbündnis erhielt für das Vorhaben den Big-Brother-Award, den Negativpreis der Datenschützer.
Noch allerdings regt sich Widerstand. Bei der Anhörung im Landtag hatten zahlreiche Verfassungsrechtler Bedenken angemeldet. Der hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch etwa hatte sein „Unbehagen“ erklärt. Statt Sicherheitslücken im System offenzulegen und wo möglich zu schließen, behalte der Staat die Lücke für sich und nutzte sie. Das widerspreche den Sicherheitsinteressen der Nutzer und auch des Staates, sagte Ronellenfitsch der taz. Der Chaos Computer Club hatte in der Landtagsanhörung zu Protokoll gegeben, mit staatlicher Schadsoftware werde die IT-Sicherheit „strukturell unterminiert“.
Wenn die Schadsoftware abhanden komme oder auf einem Rechner entdeckt werde, sei „der Weg vom staatlichen zum kriminellen Trojaner kurz“. Anders als bei der Überwachung von Telefongesprächen dringt die „Quellen TKÜ“ in Computer und Smartphones ein und erlaubt auch das Auslesen von Entwürfen und Konzepten, die die Privatsphäre noch nicht verlassen haben. Auch die Regelungen des Gesetzentwurfs zum Einsatz von V-Leuten und die Zulassung der Regelanfragen an den Verfassungsschutz bei der Einstellung neuer Mitarbeiter*innen des Landes sind nach wie vor umstritten.
Den Grünen bleibt nicht viel Zeit
Immerhin hat ein sich auch ein Landesparteitag der grünen Regierungspartei Ende April mit klarer Mehrheit gegen den „Hessentrojaner“ gestellt. Der für Innenpolitik und Datenschutz zuständige Landtagsabgeordnete, Jürgen Frömmrich, wurde bei der Listenaufstellung kräftig abgestraft. Frömmrich landete nach zwei erfolglosen Kampfkandidaturen auf Platz 12 der Liste, für den langjährigen Spitzenpolitiker und Fraktionsgeschäftsführer eine ziemliche Schlappe. Zuvor hatte er der grünen Basis versprochen, mit dem Koalitionspartner CDU Nachbesserungen zu verhandeln. Passiert ist bisher nichts.
Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte stets argumentiert, auf den Staatstrojaner könne nicht verzichtet werden, weil nur so Terroranschläge zu verhindern seien, die mit Smartphones gesteuert würden. Die heiklen Gespräche zwischen den Koalitionspartnern finden naturgemäß hinter verschlossenen Türen statt. Zum Stand der Verhandlungen erklärte der Sprecher der grünen Landtagsfraktion der taz lediglich: „Wir sind auf einem guten Weg“. Vor der Sommerpause tritt der hessische Landtag nur noch dreimal zu einer Plenarwoche zusammen. Den Grünen bleibt nicht mehr viel Zeit, den „Hessentrojaner“, dem sie zunächst zugestimmt hatten, doch noch zu verhindern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen