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Briefumschläge voller Bargeld

ENTHÜLLUNGEN Selbstmord, Schulden, Korruption: Im israelischen Profisport häufen sich die Skandale. Nun soll der Fußball sogar vom organisierten Verbrechen unterwandert sein

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Unter dem Verdacht des illegalen Handels mit Spielern, der Bestechung und der Manipulation von Spielergebnissen droht Israels Fußballszene ein neuerlicher Skandal. „Kriminelle Vereinigungen kontrollieren Klubs der Nationalen Liga“, enthüllte die liberale Tageszeitung Ha’aretz auf ihrer Titelseite. Mindestens zwei Vereine sollen in die Fänge der Unterwelt geraten sein.

Erst vor zwei Wochen war mit dem Freitod von Moni Fanan dessen Verwicklung in dunkle Geschäfte öffentlich geworden. Der langjährige Manager des europäischen Basketball-Spitzenklubs Maccabi Tel Aviv hinterließ 20 Millionen Dollar Schulden. Geld, das er offenbar im Auftrag von Spielern, Trainern und Schiedsrichtern in obskure ausländische Geschäfte investiert hatte. Nun ist die Steuerfahndung auf der Spur früherer Investoren in „Monis Bank“. Fanan soll regelmäßig „Briefumschläge mit Bargeldsummen“ verteilt haben, sagen Zeugen. Maccabi-Sponsor Electra erwägt den Rückzug aus dem Basketball.

Blau und Weiß sind die israelischen Nationalfarben. Und „Blau-Weiß steigt auf“, singt es aus dem Telefonhörer, wenn der Israelische Fußballverband (IFA) Anrufer warten lässt, was häufig passiert. Man redet nicht gern über den sich anbahnenden Skandal. Die Recherchen von Ha’aretz wärmten „überholte Geschichten“ auf, heißt es kurz in einer Pressemeldung: „Dies ist Teil eines erfolglosen Versuchs, die jüngsten Enthüllungen im Basketball auf den Fußball zu übertragen.“ Es würde überhaupt keine polizeiliche Untersuchung stattfinden.

„Ich habe darauf keine klare Antwort“, bleibt Polizeisprecher Micky Rosenfeld nach wiederholter Anfrage seltsam vage: Selbst „wenn es eine Untersuchung gäbe, könnte ich keine Details kundtun“. Einzig Jair Rabinowitsch, Exschatzmeister des IFA, steht für Fragen zur Verfügung. Er findet, es sei höchste Zeit, dass die Wahrheit auf den Tisch kommt. Zum ersten Mal klopften die Polizeibeamten im Mai 2005 an Rabinowitschs Tür, um herauszufinden, ob ihm etwas über den Handel von Spielern bekannt war. Das Prinzip sei, „kleine Klubs in Dritte-Welt-Ländern zu kaufen, um dort die relevanten Spieler zu registrieren und sie anschließend an die israelischen Klubs zurückzuverleihen“, erklärt der seit dem Sommer pensionierte Rabinowitsch auf telefonische Anfrage aus seinem Urlaubsort London. Einige Monate später sei er ein zweites Mal vernommen worden. Von „kompletten Teams, die von kriminellen Organisationen unterstützt werden“, sei da die Rede die gewesen. Danach habe er nichts mehr gehört. „Der Beamte sagte mir, dass das Engagement der Unterwelt im israelischen Fußball keine hohe Priorität bei der Polizei genieße“, erklärt Rabinowitsch.

Im Gespräch war in diesem Zusammenhang, so Ha’aretz, auch der langjährige Torschützenkönig Alon Mizrahi, der sich hoch verschuldet hatte und von einem inzwischen verurteilten Bandenchef an den Tel Aviver Verein Bnei Yehuda verkauft werden sollte. Aus dem Handel wurde nichts, aber Mizrahi arbeitet seit fünf Jahren nur noch als Trainer bei einem kleinen Klub.

Zu ersten Prozessen kam es aber Anfang 2007, nachdem fünf Spieler des Vereins Hapoel Beerschewa in die Fänge der Polizei gerieten. 10.000 Schekel (etwa 2.000 Euro) ließ sich Eviatar Iluz zustecken: „Sie sagten: ‚Wir wollen, dass ihr das Spiel verliert‘, und steckten mir eine Rolle Banknoten in die Tasche“, heißt es in einem Protokoll der Vernehmung des Spielers.

Etwa zeitgleich machte damals eine Schiedsrichteraffäre Schlagzeilen. Insgesamt wurden sechs Männer, darunter vier Schiedsrichter sowie Eli Cohen, der ehemalige Kapitän von Hapoel Tel Aviv, der Korruption und des Betrugs überführt. Eine groß angelegte Fahndung hatte ein landesweit agierendes illegales Wettbüro auffliegen lassen.

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