: Dem Mittelmaßfehlen die Mittel
Nach der 1:2-Niederlage in Berlin ist für den 1. FC Köln der Abstieg wohl nicht mehr abzuwenden. Das Fazit: Mit einem besseren Zweitligakader kann man nicht in drei Wettbewerben bestehen
Aus Berlin René Hamann
Wer wird Deutscher Meister, wenn man die Tabelle dreht? Der 1. FC Köln. Er verlor auch am Samstagnachmittag zur besten Uhrzeit sein Auswärtsspiel bei einer engagierten, durchsetzungsstarken Hertha in Berlin letztendlich verdient mit 1:2 (1:0). Gewinnt der FSV Mainz 05 seine Heimpartie am heutigen Montag gegen den SC Freiburg, ist der insgesamt bereits sechste Abstieg für den Traditionsverein vom Rhein wohl nicht mehr abzuwenden, auch wenn rechnerisch noch immer etwas möglich ist.
Dabei wäre durchaus mehr drin gewesen für die Kölner. Nach einer abwechslungsreichen ersten Halbzeit führten sie etwas glücklich durch einen durchgesteckten Roller von Leonardo Bittencourt in der 29. Minute. Nach dem Wechsel erlagen die Kölner schnell der Wucht der Hertha, die wesentlich offensiver als in den letzten Heimspielen agierte, wohl auch, um den Null-Tore-Heimfluch möglichst schnell aus der Welt zu schaffen. So war es Davie Selke, der gleich zweimal gute Hereingaben des Nationalspielers Marvin Plattenhardt und erhebliche Lücken in der Kölner Abwehr nutzte, um das Spiel zu drehen (49. und 52. Minute). Danach gab es noch Chancen auf beiden Seiten. Die beste vergab der Kölner Jhon Cordoba relativ kläglich kurz vor dem Ende der Partie.
Für die Berliner weht damit plötzlich ein noch schüchterner Duft nach Europa (Platz 9, sieben Punkte hinter Frankfurt und Leipzig) durchs luftige Olympiastadion, während die Kölner auch angesichts ihrer wütenden Fans zusehen müssen, wie sie sich ehrenhaft aus der Oberklasse verabschieden, um dann die Planungen für eine rasche Rückkehr anzugehen. Der Trainer Stefan Ruthenbeck wird der Erste sein, der von Bord geht, seine Demission zum Saisonende ist bereits beschlossen. Noch offen ist, ob der ebenso wie Ruthenbeck gebürtige Kölner Markus Anfang (für den FC hat er jedoch nie gespielt) gegen Ablöse vom mutmaßlichen Relegationisten Holstein Kiel an den Rhein kommen wird; es sieht allerdings alles danach aus. Ein „Wunder“ würde die Lage dabei natürlich komplizieren – man stelle sich vor, der FC schaffe es doch noch in die Relegation, und Anfang müsste gegen seinen künftigen Klub coachen.
Der Kader wird nach dem Abstieg erheblich umgebaut werden müssen – Nationalspieler Jonas Hector wird dann kaum noch zu halten sein; von Enttäuschungen wie Cordoba wird man sich hingegen nicht ungern trennen. Auch Claudio Pizarro, der sich am Samstag in Berlin ziemlich schwerfällig über den Platz bewegte, wird seine Karriere mit einem unrühmlichen Ende abschließen müssen – etwas, was er in Bremen stets vermeiden konnte.
Der kommende Abstieg der Kölner hat eine sehr tragische Komponente. Der Kaderbau unter dem später geschassten Manager Jörg Schmadtke war nicht gut genug für die Doppelbelastung Liga und Europa League; aber schon die Qualifikation dafür täuschte über die vorhandenen Mängel des Kaders hinweg. Der FC hatte, wie in dieser Saison Eintracht Frankfurt, wie auch Hertha BSC in der Vorsaison, mit gutem Defensivspiel das maximal Mögliche erreicht. Als dann die One-Man-Sturm-Show namens Anthony Modeste des Geldes wegen nach China abwanderte, wurde auch dem letzten offenbar, dass es sich bei den Kölnern wie bei der Hälfte der Liga im Grunde um eine bessere Zweitligamannschaft handelt.
Auch die Hertha hat so einen besseren Zweitligakader und leidet sehr, wenn Leistungsträger wie Mitchell Weiser dauerhaft neben sich stehen (er wurde zur Halbzeit folgerichtig ausgetauscht). Der Unterschied zwischen Blau-Weiß und Rot war der, dass die Hertha insgesamt strukturierter steht; die Abwehr relativ wackelfest ist; und Davie Selke an guten Tagen das wettmachen kann, was Oldies wie Vedad Ibisevic und Salomon Kalou nicht mehr konstant leisten können. Einen wie Selke haben die Kölner nicht.
Die haben den fleißigen Jonas Hector, dessen hergeworfenes Trikot die aufgebrachte Kölner Fankurve aber auch nicht mehr trösten konnte. Es flog prompt zurück. Helfen können jetzt nur noch Sprüche aus der Floskelkiste. Die man in Köln ja sehr gut kennt. Statt „Et hät noch immer jut jejange“ muss es diesmal aber heißen: Scheiden tut weh, aller Abschied ist schwer. Aber jedem neuen Anfang wohnt doch schließlich auch ein Zauber inne.
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