piwik no script img

das portraitGanz schön in die Jahre gekommen: Der Geldautomat verliert seine Freunde

Foto: Karsten Thielker

„Cash mashine“, so heißt es schön poetisch auf Englisch – das Ding, das auf Deutsch recht schnöde nur der Geldautomat ist. Die Duden-Redaktion hatte es mal mit einem erfundenen Jugendsprachausdruck probiert, im Jahr 2009. Da sollte der Geldautomat, das ratternde Gerät, aus dem das Geld kommt, der „Schottergott“ sein. Jetzt ist das Ding schon 50 Jahre alt, aber laufen tut es nicht mehr so richtig, die Jahre des Schottergotts sind wohl bald endgültig gezählt. Findet jedenfalls Jürgen Gros, Chef des bayerischen Genossenschaftsverbands, zu dem die Volks- und Raiffeisenbanken gehören. Gros wird das Ding nämlich schlicht zu teuer. Und überflüssig sei es auch.

Schuld ist diesmal leider nicht die Finanzkrise. Die zwar auch. Aber vor allen Dingen die Digitalisierung. Klar. Und die Bankräuber. Ja, die Bankräuber! Die sprengen heutzutage nämlich nicht mehr die Bank, sondern praktischerweise nur noch den Bankautomaten.

Und so ein Schottergott ist erstaunlich teuer, allein im Unterhalt verschlingt der Geldautomat, dieser Geld spuckende Esel in Kastenform, bis zu 25.000 Euro. Im Jahr! Und ist das Ding dann erst einmal kaputt, muss die Versicherung blechen, und die ist auch nicht immer flüssig. Oder hat da überhaupt keinen Bock zu.

Zum Glück ist aber bald Zukunft. Wir hörten davon, und manchmal sehen wir das auch schon, vor allem, wenn Besuch aus dem Ausland da ist. Die gehen nämlich ganz anders mit der Patte um! Die rennen mit ihren Geldkarten direkt in die Läden, um alles, aber auch wirklich alles „mit Karte“ zu bezahlen. Problem: Die Servicewüste Deutschland ist oft noch nicht so weit. „Cash only“ heißt es da oft, und damit ist nicht die Musikauswahl (Johnny Cash: „Live at Folsom Prison“) gemeint.

Andererseits sterben ja nicht nur Bankfilialen, sondern der gesamte Einzelhandel liegt brach. Gut, nicht der Handel selbst, aber die Geschäfte. Die physischen. Also, die da noch so ganz in Beton unten in den Innenstädten stehen, in den leer gefegten Fußgängerzonen aus den Siebzigern. Denn, das Stichwort Digitalisierung fiel ja bereits, heute wird alles hübsch im Netz gekauft und dann per Paypal, Banküberweisung oder mit Bitcoins bezahlt. Da braucht man nicht gar mehr zum Automaten!

Und dann kommt noch etwas: die Bezahl-App. Ein Touch aufs Display, schon wandert die Knete für das online Bestellte von meinem Konto zu deinem. Das Geld, das wusste schon Jean Baudrillard selig, bekommt auf diese Art etwas Virtuelles, nachgerade Irreales, überhaupt nicht mehr Habhaftes, etwas, das man nicht mehr greifen kann – und auch nicht mehr ziehen, aus dem Schlund des Schottergotts! Vorbei die Zeiten, wo man weit weg, zum Beispiel irgendwo in Polen, zitternd vor diesem Loch in der Wand stand und auf das Rattern der die Geldscheine sortierenden Maschine wartete. Und kurz die Frage war: Was mache ich, wenn nun kein Geld kommt? Wo übernachte ich, was esse ich, wie komme ich hier je wieder weg? Bevor sich dann doch noch die Lade hob wie bei der schwarzen Madonna von Tschenstochau. René Hamann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen