Geflüchtete in Israel: Regierung geht zurück zu Plan A

Nach der Aufkündigung eines UN-Abkommens will das Land seine Migranten wieder in ein Drittland schieben. Angeblich gibt es nun einen Staat, der auch die unfreiwillig kommenden Menschen aufnimmt

Immerhin kommen mehrere hundert bereits verhaftete Migranten zunächst wieder auf freien Fuß

Aus Jerusalem Susanne Knaul

Zurück zu Plan A: Nach der Aufkündigung eines mit den Vereinten Nationen ausgehandelten Abkommens will Israel sich nun wieder mithilfe eines Drittlandes der rund 40.000 Geflüchteten im Land entledigen. „Es gibt ein Drittland, das bereit ist, die Leute aufzunehmen, auch wenn sie unfreiwillig kommen“, erklärte Israels Innenminister Ariel Deri am Donnerstag im israelischen Hörfunk.

Regierungschef Benjamin Netanjahu war Anfang der Woche einen Zickzackkurs gefahren. Er hatte zunächst eine Einigung mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR verkündet und ging schon wenige Stunden später auf Abstand dazu.

Dem war bereits eine bange Zeit für die Geflüchteten vorausgegangen. Seit Anfang des Jahres hatte Israel zunächst die Migranten vor die Wahl gestellt: Ausreise oder Gefängnis. Israel lockte die Afrikaner mit einer Summe von 3.500 US-Dollar, wenn sie das Land verlassen, um nach Ruanda oder Uganda zu reisen. Der Oberste Gerichtshof sah indes Klärungsbedarf und forderte die Regierung im März zur erneuten Prüfung der Abkommen mit den beiden Staaten, die die Geflüchteten aufnehmen sollen, auf. Offiziell signalisierte Ruanda zwar grundsätzlich Bereitschaft dazu, die Menschen aufzunehmen, Voraussetzung sei aber, sie kommen freiwillig.

Offenbar aus Mangel an Alternativen stimmte Netanjahu schließlich überraschend der Regelung mit dem UNHCR zu, nach der 16.250 Migranten in westliche Länder verschickt und dieselbe Anzahl in Israel integriert werden sollten. Erklärtes Ziel war die Entlastung für die Wohnviertel im Süden Tel Avivs, in denen die große Mehrheit der Migranten konzentriert lebt.

Bildungsminister Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei HaBait Hajehudi, zürnte via Twitter gegen den Handel, der „illegale Infiltranten“ mit dem Preis einer Aufenthaltsgenehmigung belohne. Kaum hatte Netanjahu der Einigung abgesagt, drängte der national-religiöse Politiker Bennett dazu, die Abschiebung der unwillkommenen Gäste aus Afrika nun rasch voranzutreiben.

Das Schicksal der rund 40.000 zumeist aus Eritrea und dem Sudan stammenden Menschen ist aktuell unklar. Immerhin kommen mehrere hundert bereits verhaftete Migranten wieder auf freien Fuß, nachdem die Abkommen mit den beiden Zielländern platzte.

Innenminister Deri räumte „Fehler“ ein. Man hätte die Minister an dem Entscheidungsprozess beteiligen müssen. Die Pressekommentare ließen wenig Gutes an Netanjahu, der „Israel einen Geschmack davon gab“, so schrieb die Jerusalem Post, „wie man ein Land nicht regieren sollte“. Dari sagte nun, er hoffe, dass sich der Oberste Gerichtshof den aktuellen Plänen „nicht in den Weg stellen wird“. Andernfalls müsse man über eine „entsprechende Rechtsreform entscheiden“. Die Leute seien „seit zehn Jahren hier“, so Deri. „Das reicht. Außerdem kriegen sie eine Abfindung.“

Sollte sich tatsächlich ein Drittland gefunden haben, das, wie Innenminister Deri sagt, zur Aufnahme auch unfreiwillig kommender Migranten bereit ist, bliebe die Freiheit der eben aus dem Gefängnis entlassenen von kurzer Dauer. Dror Sadot, Sprecherin der Tel Aviver Menschenrechtsorganisation Hotline für Migranten, rechnet mit „Festnahmen derer, die die Ausreise verweigern“, sollte die Regierung die vom Obersten Gerichtshof geforderten Antworten liefern. Laut Haaretz erwägt der Regierungschef die Wiedereröffnung des Haftlagers Holot, das erst vor wenigen Wochen geschlossen worden war. Der UNHCR appellierte unterdessen an Netanjahu, seine Entscheidung zu überdenken.