Hannes Koch
Wir retten die Welt
: Ran an die Buletten, esst Wildschwein!

Auf Minister ich höre sonst nie. Beim Schmidt mache ich eine Ausnahme. So isser eben, der Schmidt, a Hund, denke ich.

Gerade hat er empfohlen: Esst Wildschwein. Die Borstentiere müssen jetzt zu Tausenden geschossen werden. Denn unter ihnen herrscht die Schweinepest. Pest, Pestbeulen, Ratten, 30-jähriger Krieg? Macht nichts, ist für Menschen ungefährlich, heißt es. Wird nur übertragen von Tier zu Tier, von Wild- zu Hausschwein beispielsweise.

Wenn der Agrarminister dazu rät – na gut. Obwohl – Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat er zuletzt auch schwer verarscht. Versprach, bei der EU nicht für das potenziell krebserregende Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat zu stimmen, machte es dann doch. Und begründete plausibel: So isser, der Schmidt. Aber Zehntausende Bundesbürger mit der Pest vergiften, nur damit die Nachfrage nach Wildschweingulasch so steigt wie das Angebot und der Preis, den die Jäger bekommen, stabil bleibt? Das traut sich nicht mal der Schmidt.

Also radle ich zu Hasen-Meyer, dem Fleischer der Wahl in Berlin-Schöneberg. 32 Euro soll das Kilo kosten. Nicht Rumpsteak – Wildschwein. Oh, frage ich, wurde der Schwarzkittel mit vergoldetem Schrot erlegt? In der Markthalle in Kreuzberg sehe ich einen Tag später: Es geht auch zum halben Preis. Da haben die Jäger wohl Blei und Eisen verschossen.

Das Wildbret anbraten, eine Flasche Rotwein drüber, Zwiebeln, Möhren, Kartoffeln, Wacholder dazu. Es schmeckt sehr lecker, härter und kräftiger als Hausschwein. Bisher spüre ich keine Ausfallerscheinungen.

Wild esse ich fast nie. Aber könnte das nicht die Lösung meines Fleischproblems sein? Genuss mit gutem Gewissen. Nicht nur wachsen die Wildschweine, Rehe und Hasen in rauen Mengen nach und fressen, unbejagt, den deutschen Wald kahl. Auch laufen sie draußen rum, stehen nicht im Stall. Sie brauchen kein Kraftfutter aus Soja, tragen nicht zur Zerstörung des Regenwaldes in Südamerika bei, bekommen keine Antibiotika und produzieren nicht tonnenweise Gülle, die, auf die Äcker gekippt, das Grundwasser verseucht.

Allerdings verzehren die Bundesbürger viel zu wenig Wild – nur um die 20.000 Tonnen jährlich. Das ist ein Bruchteil der fast fünf Millionen Tonnen Geflügel-, Schaf-, Rinder- und Schweinefleisch, die die industrielle Tierhaltung liefert.

So beginne ich, den geheimen Masterplan zu erkennen: Wild- statt Hausschwein, Reh statt Rind, Karnickel statt Schaf. Vielleicht haben wir den Schmidt gründlich missverstanden. Will er die Agrarwende, den Abschied von der Massentierhaltung durch die Hintertüre, und keiner hat es gemerkt? Die Schweine- und Rinderbauern wiegt er währenddessen in Sicherheit. So isser, der Schmidt.