Kommentar Gescheiterte Gender-Klage: Im Namen des Patriarchats
Angela Merkel und der Bundesgerichtshof sind sich einig: Gendern ist nicht. Sie sprechen damit nicht mehr im Namen des Volkes.
Gestern die Nationalhymne, heute das Sparkassenformular. Kein Text scheint mehr sicher vor einer Verweiblichung. Und da Verweiblichung ganz offenbar als Bedrohung angesehen wird, schieben die verantwortlichen Personen ganz schnell den Riegel vor. Und so sind sich Kanzlerin Angela Merkel und der Bundesgerichtshof (BGH) einig: Gendern ist nicht. Am Dienstag hat der BGH über die Klage einer Sparkassenkundin entschieden. Demnach müssen Frauen nicht geschlechtsspezifisch angesprochen werden.
Die Deutschen bleiben weiterhin brüderlich. Die Sparkasse in Saarbrücken wird weiterhin keine Kundinnen haben. Die symbolische Ordnung bleibt unangetastet. Und dass es letztlich nur darum geht, zeigt die mehr als abenteuerliche Argumentation des BGH. Er postuliert schlicht, dass ein männlicher Sprachgebrauch keine Geringschätzung gegenüber Frauen ausdrücke. Das ist, gelinde gesagt, erstaunlich. Denn immerhin ist der gesamte deutsche Staat anderer Meinung und empfiehlt, wie auch fast alle gesellschaftlichen Institutionen, offiziell seit Längerem einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch.
Der BGH greift nun zu dem Trick, den „allgemeinen Sprachgebrauch“ an den Formulierungen in den deutschen Gesetzestexten festzumachen. Ja, in der Tat, da ist der Staat mit dem Gendern noch nicht sehr weit gekommen. Aber dies vor allem, weil man unsere halbe Million Gesetze nicht mal eben umschreiben kann, man müsste sie alle eigens neu beschließen.
Doch das „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“ des Bundesjustizministeriums, das die Formulierungen von Gesetzestexten regelt, empfiehlt durchaus, dass bei Neuformulierungen geschlechtergerechte Sprache verwendet werden soll. Deshalb kennt die neue Straßenverkehrsordnung zum Beispiel nun keine „Verkehrsteilnehmer“ mehr, sondern formuliert: „Wer am Verkehr teilnimmt“ und Ähnliches mehr.
Der BGH ignoriert nicht nur die Haltung des Staates. Er behauptet einfach das Gegenteil: Die männliche Sprache diskriminiere Frauen nicht. Punkt. Er spricht damit nicht mehr im Namen des Volkes, das sich bereits mehrere Regierungen gewählt hat, die dies anders sehen. Er spricht im Namen des Patriarchats. Und das Gleiche, muss man nun leider sagen, tut unsere weibliche Kanzlerin in Sachen Nationalhymne auch. Auch sie beschwichtigt die Damen und Herren, die gern die alte Ordnung behalten möchten: Ich bin zwar eine Frau, aber ich taste die alte symbolische Herrschaft nicht an.
Zum Trost sei angenommen, dass Merkel nicht der Typ für Sprachrevolutionen ist und die Hymnendebatte aus dem Befremden abwürgte, das ostdeutsche Ärztinnen auch behaupten lässt, sie seien Ärzte. Am Effekt für das System ändert das allerdings nichts. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt: Vielleicht denkt ja nun das Verfassungsgericht mal drüber nach, warum in „geschlechtergerecht“ das Wort „gerecht“ steckt.
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