Kurzkritik: Jan-Paul Koopmann über „Native Outsiders“: Ein Trip nach Nirgendwo
Gute Laune war nicht zu erwarten. Finster und trostlos sollte er werden, dieser musikalische Ausflug in die inneren Räume, eine Konfrontation mit dem verkorksten Selbst inmitten verdrängter Erinnerungen. Ein Trip im Theaterfoyer, lustig eingeleitet mit dem Schluck eines vorgeblich „leichten Halluzinogens“ am Einlass, bevor es richtig losgeht mit dem Geflecht aus zeitgenössischer Musik, einer Horrorgeschichte von H. P. Lovecraft und experimentellen Videoarbeiten.
Unter dem hübsch-paradoxen Titel „Native Outsiders“ hat sich das szenische Konzert unter der Regie von Levin Handschuh mit der Heimat auseinandergesetzt. Nur leider wollte sich die Ambivalenz, um die es da gehen muss (und wohl auch sollte) auch beim besten Willen nicht blicken lassen. An der Musik hat es nicht gelegen. Das Ensemble New Babylon ist mit Moritz Eggerts Libretto tief eingestiegen in Lovecrafts „Outsider“. Wo etwa Benjamin Fischer seine Oboe und mit ihr das Publikum quält, da werden tatsächlich Schmerzgrenzen ausgelotet. Und das ist gut, weil es fordernd ist.
Das Problem ist die Rahmenhandlung, die Mezzosopranistin Natasha López als Ich-Erzählerin vorsingt. Da wandert man mit ihr durch ein surreales Schloss, wühlt sich raus, und wird dann am Ende mit der eigenen Monstrosität konfrontiert. „Outsider“ ist eine stringent erzählte, an Edgar Allan Poe geschulte Kurzgeschichte, die der schrillen Musik einen Rahmen hätte geben können. Stattdessen zerfasert sie sich in unmotivierten Exkursen in Lovecrafts Schauplätze: Kingsport, Arkham, Innsmouth.
Lovecraft-Kenner mögen sich da zurechtfinden und nach dem lauten New York Kingsports sphärische Ruhe genießen, aber das ist Fan-Service. Namen, die halt irgendwie im Raum stehen, so wie Lovecrafts außerirdische Monstergötter, von denen hier die Rede ist: Shub-Niggurath, Azathoth, Cthulhu. Der ernsthafte Umgang mit diesen Motiven tut der Inszenierung nicht gut. Wer die Figuren nicht kennt, hat von dem Namedropping nichts. Für die anderen sind sie längst Popkultur, aufgeweicht in Jahrzehnten ironischer Übergriffe: von Comicstrips über Trash-Filme bis zum Plüschtier. Die Vorlage reiht sich ein in die Klischees der Inszenierung zwischen verblichenen Kinderfotos und trostlosen Reihenhäusern. Die Zutaten sind schlüssig kombiniert, in der Summe aber doch: beliebig.
Nur noch ein Mal: Mittwoch, 14. 3., 19.30 Uhr, Theater Bremen
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