piwik no script img

das portraitDiren Coşkun kämpft für ihre Rechte als Transfrau im türkischen Knast

Dass Transfrauen in Männergefängnissen in Einzelzellen gesteckt werden, dass sie an Gemeinschaftsaktivitäten wie dem gemeinsamen Hofgang gehindert werden, Übergriffen und Gewalt durch männliches Personal ausgesetzt sind, all das ist nichts Neues in der Türkei. Am meisten aber fürchtet Diren Coşkun, die in einem Männergefängnis, einem Hochsicherheitsgefängnis im westtürkischen Tekirdağ, einsitzt, die Einsamkeit, wie ihr Bruder der taz.gazete berichtet. Als zur Isolation noch trans­phobe Beleidigungen und körperliche Übergriffe kamen, trat Coşkun in den Hungerstreik – am 25. Januar.

1989 wurde Diren Coşkun in Dersim geboren. Noch bevor sie ein Jahr alt war, zog die Familie nach Bursa. Als in ihrer Jugend ihre Geschlechtsidentität bekannt wurde, wurde sie attackiert und bedroht.

Selbst definiert sich Coşkun als Anarchistin, Transfeministin, Veganerin und Kriegsdienstverweigerin aus Gewissensgründen. Als Gymnasiastin fing sie an, sich an linksgerichteten Protesten zu beteiligen, engagierte sie sich bei KeSKeSoR (kurdisch: Regenbogen), der größten LGBTI+-Organisation in Diyarbakır und Umgebung. Mit KeSKeSoR organisierte Coşkun Kampagnen gegen Hassverbrechen.

Coşkun schrieb damals: „Im Laufe der Geschichte wurden Alevit*innen und Kurd*innen unterdrückt und massakriert. Diese unterdrückten Kreise aber unterdrücken, diskriminieren und töten ihrerseits die Homosexuellen in ihrer Gesellschaft. Es herrscht die Auffassung: Alevit*innen und Kurd*innen sind nicht homosexuell. Und wenn doch, dann sind sie des Todes.“ Sie ist Kurdin, Alevitin und trans.

Am 14. August 2017 wurde Coşkun wegen „Propaganda für eine bewaffnete Terrororganisation“ zu drei Jahren Haft verurteilt. In der Revision erfolgte ein Freispruch, der aber kurz darauf wieder widerrufen wurde, und sie kam ins Gefängnis. Der Prozess ging ans Verfassungsgericht, im Augenblick ist ihre Freilassung für den 26. 9. 2020 vorgesehen.

In den Hungerstreik trat Coşkun mit Forderungen: Beenden der Isolation, gleiche Rechte wie alle anderen Gefangenen, Ende des transphoben Verhaltens von der Anstaltsleitung und Mitarbeitern, Möglichkeit zur Laser-Epilation, Genehmigung für OP zur Geschlechtsumwandlung und Zugang zu veganen Speisen. Am 20. Februar, dem 27. Tag ihres ­Hungerstreiks, beschloss Coşkun, den Streik vorerst auszusetzen, weil die Gefängnisleitung auf einige ihrer Forderungen eingegangen war. So spricht die Anstaltsleitung Diren Coşkun nun nicht mehr mit ihrem männlichen Geburts­namen und als „Herr“ an, sondern als Diren. Zudem konnte Coşkun durchsetzen, dass sie bei Sicherheitskontrollen mit Metallde­tek­toren untersucht wird, statt abgetastet zu ­werden.

Eine Gruppe Freiwilliger, darunter Freunde, Familienmitglieder und Anwälte, kümmert sich derzeit darum, dass all ihre Forderungen umgesetzt werden. Burçin Tetik

Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen