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Guter Krisenfußball

Die Partie zwischen Leipzig und Dortmund spiegelt die Instabilität beider Teams wider. Deshalb beglückt das Remis beide Trainer

Aus Leipzig Martin Henkel

Schwer zu lesen ist Ralph Hasenhüttl nicht. Sind die Lippen strichschmal, ist eine Frage nach seinem Befinden genauso überflüssig wie dann, wenn der Trainer von RB Leipzig Geschichten von sich als Spieler erzählt. Hasenhüttl war früher Stürmer: groß, wuchtig – und langsam.

Samstagabend hat der Österreicher mal wieder an seine Profizeit erinnert. Das Heimspiel-1:1 (1:1) gegen Borussia Dortmund war demnach eines, mit dem der 50-Jährige gut leben konnte, denn der Torjäger Hasenhüttl taucht immer nur dann auf, wenn der Trainer Hasenhüttl gut drauf ist. „Als ich noch aktiv war“, sagte er, „hätte ich mir gewünscht, dass der Schiedsrichter mich auch öfter mal laufen lässt. Ich war ja selbst Stürmer“, und weil kein Sprinter, „habe ich immer ein bisschen Vorsprung gebraucht. Aber damals galt: Im Zweifelsfall für den Angreifer.“

Der Zweifelsfall war die Situation nach dem 1:0 durch Jean-Kévin Augustin (29.), das Dortmunds Marco Reus neun Minuten später zum Endstand ausglich, beim Zuspiel von Mahmoud Dahoud mit der Fußspitze aber im Abseits stand. Schiedsrichter Felix Brych hatte es nicht gesehen, sein Linienrichter auch nicht und der Videoschiedsrichter in Köln ebenso wenig, weil die TV-Kontrolleure bekanntermaßen ja keine virtuelle Linie haben, die sie bei strittigen Entscheidungen anlegen könnten. Es war also Augenmaß vonnöten, und aus dem „Spiel heraus“, so Hasenhüttl, „kann das niemand so genau sehen“.

Kein Vorwurf also. Nicht an die Unparteiischen, nicht an Reus und schon gar nicht an den Lauf der Dinge, der den Vorjahresaufsteiger und Vizemeister in dieser Spielzeit auf Wellen durch die Saison führt. Es geht für RB hoch und runter, zuletzt mit drei Pflichtspielpleiten im Block mal wieder abwärts, weshalb die Partie gegen den BVB mehr als eine um drei wichtige Punkte für die neuerliche Qualifikation zur Champions League gewesen ist. Sie war vor allem eine fürs Gemüt.

Das galt auch für den Gegner. Trainer Peter Stöger hatte zuletzt zwar neun Partien nicht verloren, die beiden jüngsten aber auch nicht gewinnen können. Beamtenfußball sei das, war ihm und den Dortmundern bereits vorgeworfen worden.

Ob das mit dem dritten 1:1 hintereinander aus der Welt ist – eher nicht. Stöger aber war zufrieden, der Österreicher hatte „ein im Allgemeinen sehr, sehr gutes Spiel gesehen. Das Ergebnis ist okay.“ Hasenhüttl nickte die Einschätzung ab, man mag sich ohnehin, Stöger hat Hasenhüttl früher bei Austria Wien die Bälle zugespielt: „Wir können mit dem Punkt leben. Das Unentschieden war gerecht.“

Es ist ja Gott sei Dank auch nichts kaputtgegangen. Schalke auf Platz zwei hat vier Punkte Vorsprung, bei Dortmund und Frankfurt sind es jeweils nur drei, auf Leverkusen fehlen zwei. „Es sind noch neun Spiele“, sagte Hasenhüttl. Die Auseinandersetzung in der Rangelgruppe um die Königsklassenplätze ist also noch lange nicht entschieden. „Das wird bis zum 34. Spieltag auch so bleiben.“

Dagegen lässt sich nichts Sinnvolles vortragen, dennoch konnte das Spiel kaum darüber hinwegtäuschen, wie weit beide Teams von Stabilität und dem konstanten Ausspielen ihrer Qualitäten entfernt sind. Die Partie war wild, „hitzig“, wie Leipzigs Rechtsverteidiger Konrad Laimer befand. Konter folgte auf Konter, was vor allem an der hohen Fehlpassquote lag, die zu Spitzenzeiten stolze 25 Prozent betrug.

Trotzdem war es unterhaltsam, wenigstens eine Halbzeit lang. Nationalstürmer Timo Werner hatte früh eine Großchance, er schoss sie frei vor BVB-Keeper Roman Bürki dem Schweizer in die Arme. Dortmund hatte zwei, beide führten zu Toren, Brych aber pfiff sie ab, weil Michy Batshuhayi (16.) und Reus zuvor im Abseits gestanden hatten.

Die zweite Halbzeit konnte das Niveau nicht halten. Eine echte Chance auf den Siegtreffer hatte RB keine mehr, der BVB eine, Batshuayi aber verfehlte eine Hereingabe von Dahoud knapp (66.). Aber egal. „Für Beamtenfußball“, sagte Hasenhüttl später zu Stöger gewandt, „wart ihr recht flott unterwegs.“ Stöger gab das Lob zurück. „Und ihr für Krise.“

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