wie machen sie das?
: Der Barfußläufer

Ulrich Conrad, 51, verzichtet seit über zehn Jahren auf Schuhe. Er lebt als Autor in Berlin.

taz am wochenende: Herr Conrad, andere Menschen frieren beim bloßen Gedanken, ohne Schuhe aus dem Haus zu gehen. Sie laufen auch im Winter barfuß. Wie machen Sie das?

Ulrich Conrad: Das ist vor allem Training. Wenn ich im Sommer barfuß laufe und bis zum Winter jeden Tag ohne Schuhe raus gehe, gewöhne ich mich an die Temperaturen. Es ist ja nicht von jetzt auf gleich kalt. Wenn es schneit und Salz gestreut wird, ziehe ich Sandalen an. Durch das Salz wird der Schnee noch kälter – da habe ich Angst vor Erfrierungen.

Haben Sie keine Angst vor Scherben?

Es liegen viel weniger Scherben auf den Straßen, als die meisten denken. Ein Splitter oder ein kleiner Dorn im Fuß kommt schon mal vor. Den ziehe ich raus und kann sofort weitergehen. Die Splitter durchdringen die feste Hautschicht an meinen Fußsohlen nicht.

Ziehen Sie manchmal trotzdem Schuhe an?

Nur wenn ich Leute besuche, denen es wichtig ist, dass in der Wohnung die Schuhe ausgezogen werden – es also drinnen sauber bleibt. Dann ziehe ich lieber für den kurzen Weg ein Paar Schuhe an, als dann stundenlang in der Wohnung Socken oder Hausschuhe zu tragen. Sonst habe ich eigentlich nie Schuhe an.

Kamen Sie irgendwo mal nicht rein, weil Sie barfuß waren?

Ich war einmal bei der Langen Nacht der Museen im Pergamonmuseum, da haben sie mich sehr unhöflich rausgeschmissen, weil ich keine Schuhe dabeihatte. Angeblich, weil das Salz vom Fußschweiß die Marmorböden angreifen würde. Das ist natürlich Blödsinn – das ganze Salz, das im Winter an den Schuhen reingetragen wird, macht den Boden ja auch nicht kaputt. Ich verzichte heute auf den Besuch solch unfreundlicher Orte.

Warum haben Sie begonnen, barfuß zu laufen?

Das gibt mir ein Gefühl von Freiheit und Ungezwungenheit. Ich kann die Umwelt stärker wahrnehmen, ich sehe, höre und rieche sie nicht nur, sondern spüre sie auch über meine Füße. Außerdem ist es auch viel gesünder für die Füße, wenn sie nicht in Schuhe gezwängt werden. Angefangen hat alles schon in den achtziger Jahren, da habe ich manchmal Leute gesehen, die barfuß liefen – ich wollte das auch ­immer. Aber erst in den neunziger Jahren habe ich mich getraut, an Orten, wo mich niemand kannte. Irgendwann habe ich diese Scham dann abgelegt und bin immer mehr barfuß gelaufen, seit 2005 richtig konsequent.

Auf welchem Untergrund laufen Sie am liebsten?

Auf Sand. Der ist so weich und angenehm warm. In Brandenburg gibt es tolle Natur aus Sand. Aber auch Sandstein wie in der Sächsischen Schweiz mag ich. Interview Christina Spitzmüller