Rechte vor Gericht

In Göttingen startet ein Prozess gegen Neonazis

Von Reimar Paul

Am Montag um 8.30 Uhr treffen Rechtsextremisten und Antifa im Göttinger Amtsgericht aufeinander. Drei Mitglieder des „Freundeskreises Thüringen Niedersachsen“ – inzwischen hat sich die rechtsextreme Truppe in „Volksbewegung Niedersachsen“ umbenannt und ihre Aktivitäten in der Region zurückgefahren – sind wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Den 21, 23 und 37 Jahre alten Männern wird vorgeworfen, am 12. November 2016 an der Göttinger Stadthalle bewaffnet auf Antifaschisten losgegangen und einige von ihnen schwer verletzt zu haben. Die Angegriffenen sind am Montag als Zeugen geladen.

Am besagten Tag veranstaltete der „Freundeskreis“ zunächst eine Kundgebung im niedersächsischen Duderstadt, anschließend fuhren fünf Rechtsextremisten im Wagen von „Freundeskreis“-Chef Jens Wilke nach Göttingen. Zunächst hielten sie vor dem Haus eines örtlichen Kommunalpolitikers und bedrohten ihn und seine Familie mit Megafon-Durchsagen. An der Stadthalle stoppte die Polizei das Fahrzeug, um die Insassen zu kontrollieren. Einige Leute aus der Antifa-Szene kommen hinzu, Augenzeugen zufolge rufen sie: „Das sind Nazis, die haben Leute in der Nachbarschaft bedroht!“

Die drei Männer, die sich jetzt vor Gericht verantworten müssen, stiegen aus, gingen auf eine Frau und einen Mann los und verfolgten sie – so die Anklage. Während die Frau zwischen zwei Fahrzeugen zu Fall kam, prügelte ein Rechter mit einem Schlagwerkzeug auf ihren Begleiter ein. Dieser erlitt bei der Attacke unter anderem eine Platzwunde und mehrere schwere Prellungen. Beobachtern zufolge waren die Angreifer bewaffnet: Wilke mit einem massiven Schlagstock, außen Holz, mit Metallkern. Seine Kumpel unter anderem mit einem Messer und einer Eisenkette.

Antifaschisten übten seinerzeit heftige Kritik auch an der Polizei: Die Beamten hätten sich „folgerichtig zu ihrer bisherigen Einsatzstrategie“ verhalten, hieß es. „Immer bemüht, den Neonazis den öffentlichen Raum zu geben“, hätten sich die Beamten auch dieses Mal darauf konzentriert, die verletzten Linken festzusetzen und ihre Personalien zu kontrollieren, „statt den feixenden Neonazis die Waffen abzunehmen“.

Die Angeklagten werden im Verfahren vor dem Amtsgericht von prominenten Anwälten aus der rechten Szene verteidigt. Die „Antifaschistische Linke International“ rief zur Beobachtung des Verfahrens auf: „Dass Neonazis sich im Göttinger Amtsgericht auf der Anklagebank wiederfinden, ist ein seltenes Ereignis“, erklärte die Gruppe. Das stimmt nicht so ganz: Gegen Wilke und andere „Freundeskreis“-Mitglieder sind noch mehrere Verfahren anhängig.