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Ausstellungsempfehlung für BerlinBöse Wasserfarbe

Tanya Leighton zeigt gut 50 Arbeiten von Jonas Lipps, der mit seinen Figuren die künstlerische Seite des Cartoons untermalt. Die taz sprach mit dem Künstler.

Jonas Lipps, ohne Titel, 2018, Wasserfarbe und Bleistift auf Papier, 33,9 x 26 cm, Unikat Foto: Courtesy of the artist and Tanya Leighton
Noemi Molitor
Interview von Noemi Molitor

Jonas Lipps ist der Wasserfarbenmaler unter den Bad Painters. Für seine Einzelausstellung in der Galerie Tanya Leighton hat er eine Schar kleinformatiger Aquarelle und Figuren, die diese durchstreifen, auf die Wände entlassen. Mal sind sie ausgemalt, mal formen sie Linienwesen, die wie Schatten eines auf dem anderen hocken. Dass Lipps’Stil häufig mit Comics in Verbindung gebracht wird, liegt daran, dass er mit seinen Gestalten immer wieder Alltagsszenen karikiert, Bürokratisches, Uniformiertes.

Lipps’surreale, dann wieder banale Szenarien spielen sich ungefähr so ab: Ein Mann mit Nasenring reitet auf dem Dach eines zu klein geratenen ICEs, die Bahnbeamten halten sich im Gegenzug die Nase zu. Vielleicht ist das aber auch gar kein Nachahmer-Effekt, sondern liegt an dem Bündel mit ominösem Inhalt, das sie mit sich herumschleppen. Oder so: Ted Stefan ist „Anwalt für Pferderecht“ – so steht es auf einer gebastelten ID-Card, die in einem überdimensionalen, an die Wand genagelten Pappwallet steckt. Der Sonderausweis 945 im Papierportemonnaie an der Wand gegenüber aber berechtigt zur „Verteidigung gegen ein Tier“.

Daneben saugt eine Toga-Trägerin mit verzücktem Gesicht den Himmel ab – ihre gastroenterologische Sammel­aktion bringt (von ihr unbemerkt) einen Schlauchschatten hervor, der es ihr frustriert gleichtut. Schließlich ein eingerahmtes gelbes Wesen, mit Waagschalen bepackt. Der Rahmung ist rechts ein weiteres halbes Bildfeld angesetzt: Das Hinterteil wiederholt sich, Justitia ist ganz klar in Bewegung.

Der Comic, die sequentielle Kunst. Bei Lipps sind solch erzählerische Panels selten. Er ­inszeniert eher den satirischen Cartoon im Einzelbild. Bis das Sequentielle im Weitzoom eben doch Einzug hält: In ihrer Gesamtheit setzt sich die Ausstellung zu einem gigantischen, scharrenden Wimmelbild zusammen.

Einblick (713): Jonas Lipps

Die Ausstellung

Galerie Tanya Leighton

Do.–Sa. 11–18 Uhr, bis 14. 4.,

Kurfürstenstr. 24/25

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Jonas Lipps: Die beste Ausstellung war Stefan Thaters „Der Mann mit dem runden Gesicht“ bei Eclair, mit Lametta­schlangen, die auch Nabelschnüre und Kaminkehrhaspeln sind. Oberflächen wie Ablagerungen an den Innenwänden eines Schornsteins. Einfache Materialien, eine wie von selbst entstehende abgründige Story und superelegant.

Welches Konzert oder welchen Klub kannst du empfehlen?

Ich gehe immer ins Red Dog. Charlemagne Palestine an der Schuke-Orgel der Sophienkirche war ein Timing-Meisterstück. Sehen würde ich gerne Simi the Curse, ich weiß aber nicht, ob er auftritt.

Im Interview: Jonas Lipps

Jonas Lipps, (*1979, Freiburg/Breisgau), lebt und arbeitet in Berlin und studierte Bildende Kunst an der Universität der Künste.

Internationale Einzelausstellungen unter anderem: Celine, Glasgow, 2017; Grieder Contemporary, Zürich, 2016; Liszt, Berlin, 2015; Ben Brown Fine Arts, Hong Kong, 2012. Ausgewählte Gruppenausstellungen: "Someplace Special", Gillmeier Rech, Berlin (noch bis 17. 3.); "I Could See The Smallest Things", Antenna Space, Shanghai, 2017; "1. - 3. Person Singular/Plural", Kunstverein Leipzig, 2016; "Century Waste", The Duck, New York, 2016; Prague Biennale, 2012.

Welche Zeitung/welches Magazin und welches Buch begleitet dich durch den Alltag?

Gerade die Raddatz-Tagebücher, alles Neid und Missgunst und immer hält irgendein Bauer das Buttermesser verkehrt herum. Außerdem, sympathischer und langweiliger, Stephen Kings „Das Leben und das Schreiben“. Und zum wiederholten mal Kevin Kemters reich illustrierte, super lustige und düstere „Immortal-Dead Soon III Maniac 1.000.000 Eigenfikkung“, erschienen im AKV-Verlag. Und Joan Didions „Demokratie“, ein Roman rund um die Liebesgeschichte zwischen einer Senatorengattin und einem Waffenhändler in den letzten Tagen des Vietnamkriegs, antilinear erzählt aus der Perspektive einer Journalistin, mit hartgekochten Dialogen.

Was ist dein nächstes Projekt?

Eine Ausstellung bei North Dumpling in New York Anfang März.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?

Meine Katzen.

Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer donnerstags in der Printausgabe der taz.

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