Ausstellungsempfehlung für Berlin: Sammeln neben dem Sammeln
Die Galerie Thomas Fischer zeigt Auszüge aus der Privatsammlung des Ausstellungsmachers Kasper König. Die taz sprach mit Kurator Andreas Prinzing.
In der ersten Hälfte der Neunziger führte die Hamburger Künstlerin Annette Wehrmann (1961–2010) in Fußgängerzonen mithilfe von Chinaböllern sogenannte Blumensprengungen durch. In einem mini-renitenten Akt wirbeln Feuer, Stiefmütterchen und Erdklumpen durch die Gegend und sorgen kurzzeitig für Stimmung im tristen Konsumalltag.
Zwei Bilder aus einer Serie von ursprünglich sieben Farbfotografien sind gerade in der Galerie Thomas Fischer zu sehen. Sie gehören zur Privatsammlung des legendären Ausstellungsmachers Kasper König, der hier vorwiegend kleinformatige Werke unter dem Titel „I dreamed I was leaving on a trip but I forgot my money“ größtenteils in Petersburger Hängung präsentiert.
Obwohl sich König selbst nicht als Sammler versteht, macht die Ausstellung paradoxerweise deutlich, wie viel Spaß das beiläufige „Sammeln neben dem Sammeln“ eben doch machen dürfte.
Einblick (712): Andreas Prinzing, Kurator
taz: Andreas, welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?
Galerie Thomas Fischer
Di.–Sa. 11–18 Uhr, bis 31. 3., Potsdamer Str. 77–87
Andreas Prinzing: Marianne Wex’ Ausstellung „Let’s take back our space“ bei Tanya Leighton war ein Highlight. In ihrem Bildatlas aus eigenen Fotografien, Illustriertenaufnahmen und Textelementen – 1977 erstmals in der nGbK präsentiert – verhandelt sie „,Weibliche' und ‚männliche‘ Körpersprache als Folge patriarchalischer Machtverhältnisse’“.
Schautafeln, auf denen Gestik und Mimik von Statuen, Medienbilder und alltägliche Körperhaltung einer Analyse unterzogen werden, führen vor Augen, wie sich geschlechtsspezifische Stereotype und Verhaltensmuster fortschreiben.
In beiden Galerien installiert, war ein Gang über die Straße nötig, das passte. Im Idealfall erstreckt sich der Imperativ auch auf den institutionellen Raum – gehört diese hochaktuelle Arbeit doch in ein Museum.
Andreas Prinzing (*1980) ist Kurator und arbeitete unter anderem am Museum Ludwig in Köln. Seit 2015 ist er als Assistent des Ausstellungsmachers Kasper König tätig und war in die Planung der Skulptur Projekte Münster 2017 involviert. Mit einem Bein weiterhin im Rheinland, betreut er parallel die Peill-Stiftung am Leopold-Hoesch-Museum in Düren und publiziert regelmäßig (unter anderem in Camera Austria).
Aktuell läuft in der Galerie Thomas Fischer die Ausstellung „I dreamed I was leaving on a trip but I forgot my money“ mit Arbeiten aus der Sammlung von Kasper König, die Andreas Prinzing gemeinsam mit Thomas Fischer kuratiert hat.
Welches Konzert kannst du empfehlen?
Diesen Winter organisierte die Performance Agency im Archivio Conz in einem Moabiter Lagerhaus drei Abende mit Musik und Performances. Ausgangspunkt von „Mass No. 1–3“ war das dort deponierte gigantische Archiv des Kunstsammlers Francesco Conz (1935–2010), das Arbeiten mit einem Fokus auf Fluxus und Konkreter Poesie versammelt. Ein Ort voller Überraschungen!
Welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?
Derzeit eher Fachliteratur, aber ich freue mich auf Annie Ernaux’ „Die Jahre“. Schon seit Langem begleiten mich die autobiografischen Bücher von Peter Kurzeck, bei dem sich Geh- und Erzählbewegung überlagern. Obwohl kaum etwas passiert, entwickeln sie einen unglaublichen Sog.
Was ist dein nächstes Projekt?
Einige Texte, und im Herbst stehen Ausstellungen mit den Berliner KünstlerInnen Paul Sochacki und Raphaela Vogel im Leopold-Hoesch-Museum in Düren an.
Welcher Gegenstand des Alltags macht dir am meisten Freude?
Mein Fahrrad. Bei klarer Kälte mit der Klapperkiste morgens durch den Tiergarten zu radeln, ist wunderbar – vorausgesetzt, die Zwiebeltechnik stimmt.
Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer donnerstags in der Printausgabe der taz.
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