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: Polizei empfiehlt Anklage gegen Israels Regierungschef

Er soll Geschenke angenommen und versucht haben, die Berichterstattung einer Zeitung zu beeinflussen. Doch Benjamin Netanjahu hält sich und seine Regierung für unangreifbar

Das Neue

Bestechlichkeit, Betrug und Vertrauensbruch macht Israels Polizei dem Regierungschef Benjamin Netanjahu zum Vorwurf. Ein jetzt vorgelegter Polizeibericht empfiehlt eine Anklage gegen ihn, wie israelische Medien berichten. Ob es zur Anklage kommen wird oder nicht, liegt in den Händen von Oberstaatsanwalt Avichai Mandelblit.

Der Kontext

14 Monate lang hatten sich die Untersuchungen der Polizei hingezogen. Die Ermittlungen gegen Netanjahu bezogen sich auf zwei Fälle: In einem geht es um teure Geschenke zweier Freunde, in dem zweiten um eine positivere Berichterstattung in der Tageszeitung Jedioth Ahronot. Die Polizei geht von einem Gesamtwert der Geschenke aus, der umgerechnet fast eine Viertel Million Euro erreicht.

Umfragen zeigen, dass eine deutliche Mehrheit der Israelis für einen sofortigen Rücktritt Netanjahu eintritt. Die Erfahrung aus früheren Zeiten lehrt, dass bis zur Anklageschrift viele Monate vergehen können, und auch dann könnte der Regierungschef weiter im Amt bleiben.

Die Reaktionen

Netanjahu bestreitet nicht, Geschenke von Arnon Milchan, einem aus Israel stammenden Hollywood-Produzenten, entgegengenommen zu haben, wie auch von dem australischen Milliardär James Packer. Den Vorwurf der Bestechlichkeit hat er aber sofort in einer Fernsehansprache zurückgewiesen. Der Polizeibericht sei „radikal“ und „irreführend“, erklärte er Dienstagabend und versprach, dass „die Koalition bis zum Ende der Regierungsperiode“ aushalten werde.

Vollkommen absurd findet sein Anwalt Amit Hadad, dass der Ex-Finanzminister Jair Lapid, Chef der oppositionellen Zukunftspartei und stärkster politischer Rivale Netanjahus, nun vor Gericht gegen ihn aussagen will. Lapid habe für den Hollywood-Produzenten gearbeitet. Laut Polizeibericht ergab die Untersuchung, dass es sich bei der „Beziehung zwischen dem Ministerpräsidenten und Herrn Milchan um keine harmlose Freundschaft handelte, sondern um kriminelle Bestechung. Auch Milchan, so rät die Polizei, sei vor Gericht zu stellen.

Die Konsequenz

Beim zweiten Fall, den die Polizei vor Gericht sehen möchte, könnte der Mitschnitt eines Telefonats, das zwischen Netanjahu und Arnon Moses, Herausgeber der Zeitung Jedioth Ahronot, stattfand, den Regierungschef ins Stolpern bringen. Netanjahu wünschte sich eine wohlwollendere Berichterstattung des insgesamt eher regierungskritischen Blattes. Im Gegenzug sei er bereit gewesen, die Auflage der Konkurrenzzeitung Israel Hajom zu reduzieren. Herausgeber des deutlich regierungstreuen Blatts Israel Hajom ist Netanjahus Intimus, der amerikanische Multimilliardär Sheldon Adelson.

Die Koalition scheint vorläufig hinter ihrem Chef zu stehen, wobei Bildungsminister Naftali Bennett, der Chef der Siedlerpartei, einräumte, dass „so viele Geschenke über einen so langen Zeitraum“ nicht unbedingt das sei, „was sich die Bürger wünschen“.

Susanne Knaul