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Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen

Das Meer ist auch eine große Sehnsuchtsmetapher. Für die Sehnsucht nach dem Leben zum Beispiel. Nehmen wir „Der alte Mann und das Meer“, den Herr Hemingway erfand und daran die diffuse Sehnsucht nach der ganz großen Tat und den damit verbundenen existenziellen Kämpfen knüpfte. In Verbindung mit Frauen steht die Meeresmetapher meist für das Fehlen von Leben und die Sehnsucht, frei zu sein. Ganz besonders im 19. Jahrhundert, in dem auch Ibsens Stück „Die Frau vom Meer“ entstand. Dessen Protagonistin ist zwar die Tochter eines Leuchtturmwärters und tatsächlich mitten im Meer aufgewachsen. Aber das Meer hat sich in ihre Seele auch als ein großes Freiheitsversprechen eingeschrieben. Die 1990 geborene Dramatikerin Olga Bach, die schon die Vorlage für Ersan Mondtags Theatertreffenhit von 2017, „Die Vernichtung“, schrieb, hat Ibsens Emanzipationsdrama nun für die Gegenwart und das Theater Ramba Zamba neu gefasst. „Die Frauen vom Meer“ heißt es nun und schaut, was das heute bedeuten kann: Sehnsucht nach dem selbstbestimmten Leben. Heute, wo wir doch alle eigentlich längst so furchtbar frei geworden sind. Oder etwa nicht? Die Regisseurin Lilja Rupprecht inszeniert. Mit von der Partie ist u. a. die große Schauspielerin Angela Winkler (Theater Ramba Zamba: „Die Frauen vom Meer“, Premiere: 16. 2., 19.30 Uhr).

Die Freiheit der Frauen ist in gewisser Weise auch Thema des neuen Stücks der Dramatikerin Sivan Ben Yishai, „Papa liebt dich“, das am 16. 2. in der Regie von Suna Gürler herauskommt. Schauplatz ist ein Zug, der sich unter der Erde auf ein unbekanntes Ziel zubewegt, während die Erinnerungen der weiblichen Reisenden immer tiefer ins Unbewusste vorstoßen (Gorki-Theater: „Papa liebt dich“, Premiere 16. 2., 20.30 Uhr).

„Was muss ich denken, um richtig zu verstehen, was ich fühle, wenn ich sehe, was passiert?“ Diese Frage stellt sich der Protagonist von Rainald Goetz’ berühmtem Debütroman „Irre“ aus dem Jahr 1983: ein junger Psychiater, der an seinem ersten Arbeitsplatz mit der Welt und ihren Regeln in Konflikt gerät. Der junge Regisseur Henri Hüster, eine Generation jünger als der studierte Mediziner Rainald Goetz (der in dem Roman eigene Erfahrungen verarbeitete), hat gemeinsam mit der Choreografin Vasna Aguilar aus diesem Konvolut aus Stimmen, dokumentarischem Material, Irren und Un-Irren, theoretischen Überlegungen und praktischem Anschauungsmaterial einen Abend für Schauspiel und Tanz komponiert. Diese Woche kommt er im Theaterdiscounter heraus (Theaterdiscounter: „Irre“, 16., 17., & 18. 2., jeweils 20 Uhr).

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