press-schlag
: Freiwild
für die Fans

Schalkes Vereinschef Clemens Tönnies hetzt gegen Goretzka
und schadet dem eigenen Verein

Aufgepasst, liebe Profis von Schalke 04 und die es vielleicht einmal werden wollen! Wenn ich will, werde ich künftig jeden einzelnen von euch dem Mob der Fans ausliefern! Das war in etwa die Botschaft, die Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies pünktlich vor dem Sonntagsspiel gegen Hannover 96 unbedingt noch loswerden wollte.

Denn Tönnies hatte Leon Goretzka bis zum Rest der Saison mit einem Tribünenplatz gedroht, sollten die Fans nach seiner Entscheidung, den auslaufenden Vertrag bei Schalke nicht zu verlängern und zum FC Bayern München zu wechseln, entsprechend Unruhe verbreiten. Er legte also das weitere Schicksal vom Nationalspieler und WM-Aspiranten Goretzka in die Hände der Ultras, von denen jeder weiß, dass sie ihr Handeln nach schlichtem Freund-Feind-Denken ausrichten.

Viele der von der Kette gelassenen blau-weißen Anhänger haben dann auch die zu erwartenden Reflexe gezeigt. Zum Freiwild ist der 22-jährige Goretzka, der 12 Jahre lang dem VfL Bochum treu verbunden war, erklärt worden, obwohl er auch Schalke 04 stets vertragstreu blieb. Es ist der absurde Versuch, ein Bochumer Urgewächs unter Schalker Denkmalschutz zu stellen.

Tönnies surft mit dem Wind, welcher der Profigilde derzeit steif ins Gesicht bläst. Die erzwungenen vorzeitigen Vereinswechsel von Spielern wie Dembele, Coutinho und vermutlich bald auch Aubameyang sorgen für maximale moralische Empörung unter den Fans.

Und Klubverantwortliche wie Tönnies probieren offenbar gerade aus, was sie ihrer Ohnmacht entgegensetzen können. Abgesehen davon, dass der Fall des vertragstreuen Goretzka denkbar ungeeignet für solche Testballons ist, eignet sich populistische Hetze ohnehin nicht als Mittel, um in dieser Auseinandersetzung Land zu gewinnen.

Wie sollen denn bei Fußballprofis Verbundenheitsgefühle mit einem Verein entstehen, der auf diese Weise mit seinen Angestellten umgeht? Das Beispiel Tönnies zeigt, dass es auch Klubverantwortliche gibt, die sich im Extremfall nicht einmal an die einfachsten Regeln des Anstands halten. Das befördert den beklagten Zustand der immer größer werdenden Regellosigkeit.

Das ist vielleicht eine besondere Pointe des Schalker Falls. Die populistische und grobschlächtige Anbiederei vom Fleischfabrikanten und Milliardär Tönnies an die Fußballromantiker in der Kurve trägt vor allem dazu bei, dass Profis sich künftig nicht mehr von ihren Gefühlen zu diesem Verein leiten lassen werden. Sie wissen, wie schnell sie von Tönnies an den Pranger gestellt werden, selbst wenn sie sich gar nichts zuschulden haben kommen lassen. Nachträglich kann man Leon Goretzka nur dazu gratulieren, dass er seinen Vertrag hat auslaufen lassen.

Johannes Kopp