berliner szenen: Als letzte Tat Pommes mit Mayo
Ich möchte nur flanieren, Flaneurin ohne Zeitdruck an diesem Abend werden. Ich unterdrücke dabei die Reflexe, das Handy zu checken, mit dem Handy zu fotografieren. Selbst das Bedürfnis zu schreiben verschiebe ich auf später. Ich will nur zugucken und kalte Luft atmen.
Als Erstes entdecke ich eine Passage von der Hasenheide zur Körtestraße, am Sputnik-Kino vorbei. Nebenan tanzen in einem Lokal Menschen Tango, die Musik kann man nicht hören. Am Kanal kreuzt eine Ratte meinen Weg und verschwindet Richtung Wasser, ein Pärchen füttert mit Brot eine Gruppe Schwäne, zwei Kinder mit Fahrrad rufen Tatütata.
Dann gehe ich an vielen Restaurants vorbei: asiatisch, griechisch, tirolerisch, gutbürgerlich. Ich beobachte die Tischgäste und denke, dass keiner am Sonntagabend alleine zu Hause essen will. Ich frage mich, worüber sie sich unterhalten und lese die Menüs durch. Ich kriege Hunger, und nun ist meine Kreuzberger Reise nicht mehr richtig ziellos. Ich gehe die Optionen durch und entscheide mich am Ende, zum veganen Fast Food in der Wiener Straße zu gehen.
Draußen raucht einer der Mitarbeiter, schwarze Schürze, gepierct, tatöwiert. Drinnen ist es leer, weißes Licht, es riecht nach Fett, die Tische sind dreckig, die Musik ist laut: Punk auf Spanisch. „Traurige Geschichte, Endgeschichte. Das könnte deine letzte Sekunde sein“, wiederholt der Refrain des Lieds.
„Das stimmt“, denke ich und muss für mich lachen bei der Vorstellung, sich als allerletzte Tat Pommes mit Mayo in den Mund zu stecken und dann zu sterben. Ich muss trotz fettiger Hände schreiben, um diese Idee zu zelebrieren.
Dann trinke ich meine Cola leer und entdecke, dass auf der Innenseite des Etiketts etwas gedruckt ist. Weiß auf schwarz in großen Buchstaben steht dort nur: „Du bist hier.“ Luciana Ferrando
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