Die Wahrheit: Bundeskanzler Willy Kühnert
Der neueste Trick der Jusos: Um die Große Koalition doch noch zu verhindern, greifen sie auf klassische Kampfnamen zurück.
Um die Große Koalition zu verhindern, hatten die Jusos beim Außerordentlichen Bundesparteig der SPD am vorvergangenen Wochenende eine Kampfabstimmung herbeigeführt, die nur knapp von den Altvorderen um den Parteivorsitzenden Martin Schulz und die Bundestagsfraktionsvorsitzende Andrea Nahles gewonnen wurde. Anführer der Meuterer war der 28-jährige Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert, und darin liegt auch schon das Problem: sein Vorname. Der „Kevin“ war letztlich schuld an der Niederlage der Jusos, wie eine Analyse im Juso-Bundesvorstand am vorigen Freitag in Berlin ergab.
Rund um den Parteitag stürzten sich die Medien auf den belastenden Namen, der sich den Journalisten offenbar als bildungsfern und unterschichtaffin eingebrannt hatte. Der junge Juso-Boss war für die einen nur „der Kevin“ (Neues Deutschland), für die anderen „Kevin ganz groß“ (tagesschau.de) oder gleich das „SPD-Milchgesicht“ (Bild).
Und tatsächlich ist das große Problem jeden Jusos, dass er gefangen ist im Körper eines Jusos und dieser Körper um die Jahrtausendwende in die Welt gekommen ist. Ihre Eltern haben sie gestraft mit Namen, die entweder auf populären Filmen beruhen oder die Exotik der klassischen Bildung mit gehobenen Anklängen heimholen sollen. Das allerdings ist gründlich schiefgegangen.
Teer und Federn
Zwar ist es das sozialdemokratische Credo, dass man nur über Bildung, Bildung, Bildung bessere Arbeit, Arbeit, Arbeit bekommen kann, aber Studien der letzten Jahre haben gezeigt: Die Unterschichts- und Scheinbildungsnamen kleben wie Teer und Federn an der Generation Kevin. Schullehrer benachteiligen instinktiv eine Mandy oder einen Mario. Wie sollen dann erst aufstrebende Jungpolitiker in Führungspositionen ernst genommen werden, wie ihre politischen Ansichten durchsetzen, wenn sie etwas als Noël-Etienne oder Legolas-Phoenix erreichen wollen?
Deshalb sind die Jusos nun bei ihrer Vorstandssitzung auf eine ebenso einfache wie geniale Lösung gekommen. Inhalte waren in der Sozialdemokratie sowieso nie wichtig, wesentlicher war das Erscheinungsbild und die verkaufsfördernde Außendarstellung, wie es der letzte SPD-Kanzler, der Brioni-und-Cohiba-Mann Gerhard Schröder, während seiner Amtszeit perfekt vorgeführt hat und es immer noch tut, wenn er via Klatschpresse seine neueste Ehegattin präsentiert. Von Schröder lernen heißt den Boulevard erobern. Letztlich braucht man zum Regieren selbst in Zeiten von Twitter und Facebook immer noch die drei großen „B“ – Bild, Bunte und Bravo.
Politische Intrigen und listige Tricks kann man erst mit der nötigen Erfahrung anwenden. So scheiterte der Versuch der Jusos kläglich, ähnlich gestimmtes Jungvolk zu animieren, kurzfristig in die SPD einzutreten, um gegen die Große Koalition zu stimmen. Das wusste die Riege der alten Säcke mit einer eiligen Satzungsänderung zu verhindern. Die Jusos standen belämmert da, wie es nur junge Lämmer können.
Wie aber sollten sich all die jungsozialistischen Kevins und Marvins, Dustins und Justins, Marlons und Lalons … – ach, Moment! Fast vergisst man es immer wieder: Es gibt auch junge Frauen in der SPD namens Lea-Anna und Jasmin-Anna, Caroline-Anna und Jacqueline-Anna … – wie jedenfalls sollten sich die Jusos mehr Gehör verschaffen, um die Große Koalition doch noch zu verhindern? Ganz einfach! Sie orientieren sich an den klassischen Kämpfen.
Flair der Urgesteine
Hatten nicht die Sozen-Urgesteine bereits mit ihren Namen zu kämpfen? Unter dem Druck der Verfolgung während der Nazizeit wählten sie sich einen nom de guerre. Der Deckname des legendären Herbert Wehner im Moskauer Exil war Kurt Funk. Sein Vorvorgänger als Bundestagsfraktionsvorsitzender Fritz Erler wurde „Grau“ oder „Walter“ genannt. Den berühmtesten Kampfnamen aber trug Herbert Frahm, der später als Willy Brandt erster Bundeskanzler der SPD wurde.
Warum nicht aus der Namensnot eine Sozi-Tugend machen und über den heimeligen Klang sozialdemokratisches Flair einfangen? Begeistert beschlossen die Jusos jetzt, sich historische Kampfnamen zuzulegen. So hat sich der Juso-Vorsitzende mit seinem Erstwahlrecht den Namen seines großen Vorbilds ausgewählt. Er weiß selbst, dass es nie einen Kanzler Kevin Kühnert geben wird. Aber ein „Bundeskanzler Willy Kühnert“ wird jedem „Tagesschau“-Sprecher locker von der Zunge gehen. Die neue Kampagne der Jusos steht deshalb unter dem Titel „Willy wählen!“.
Jetzt muss Willy Kühnert nur noch an seinem Charisma und dem rauchigen Timbre der Stimme arbeiten. Von den zig Zigaretten und Cognacs, die sein Idol seinerzeit dafür täglich eingesetzt hat, ist er jedoch noch weit entfernt. Momentan kotzt sich der tapfere Kevin zu Hause die Lunge aus dem Hals.
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