leserInnenbriefe:
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Fass ohne Boden
„Hauptsache, es geht fix. Das Land plant 3.000 Kitaplätze an maximal 40 Standorten“,
taz vom 18. 1. 2018
Zunächst kam ein unhaltbares Versprechen an die Eltern: der Rechtsanspruch (beitragsfrei) auf einen Kitaplatz für alle Kinder ab 1 Jahr. Dann kam ein unhaltbares Versprechen an die Stadt Berlin: die fehlenden Kitaplätze werden geschaffen. Jede einzelne Fachkraft, jede Leitung und jeder freie Träger müht sich ab, den Ansprüchen von Jugendämtern, Politik, Eltern und Bildungsauftrag gerecht zu werden. Die Trägerfinanzierung der Stadt ist nicht ausreichend – sie deckt beispielsweise nur 93 Prozent der Sachkosten ab. Der Rest des Geldes (Miete, Wasser, Strom, Gas, Instandhaltungskosten) muss an anderer Stelle erwirtschaftet werden. Da mag es attraktiv klingen, dass die „Betreiber der Kitas (…) für die Instandhaltung zuständig (sind), aber keine Miete zahlen“.
Wie teuer es ist, eine Kita instand zu halten, wird erstens nicht thematisiert und zweitens nicht bedacht. Vor allem dass bei extremem Personalmangel Mitarbeiter*innen von Zeitarbeitsfirmen beschäftigt werden, deren Kosten nicht vom Land Berlin übernommen werden.
Das größere Problem habe ich aber mit diesen falschen Versprechungen deshalb, weil ich mich frage, wer in diesen neuen Kitas arbeiten soll. Bildungssenatorin Sandra Scheeres setzt Zeichen, will ein Gebäude ohne Fundament aufstellen, ein Fass ohne Boden füllen. Wir haben keine Fachkräfte. Unsere Erzieher*innen wandern ab oder entscheiden sich für andere Berufsfelder – was ihnen bei einem Grundgehalt von circa 1.662 Euro netto (bei einem guten Tarif) auch nicht zu verdenken ist. Dass Lehrer*innen bedeutend besser bezahlt werden und deshalb leichter für den Schulausbau zu werben sind, liegt auf der Hand.
Frau Scheeres wirbt mit Barrierefreiheit und eigenen Küchen. Sie will Qualität in ihren Kitas bieten. Zu Recht – denn unsere Jüngsten sind Lernschwämme. Nie wieder lernt unser Gehirn so schnell und viel wie in den ersten drei Lebensjahren. Warum sich die Krippenkinder dann mit überforderten, unterbezahlten und durch Krankheitsausfälle überlasteten Erzieher*innen abfinden müssen, ist auch aus dieser Sicht unverständlich. Die einzige Maßnahme, die zur „Fachkräftegewinnung“ getroffen wird, ist, die Ausbildung zu verwässern, zu verkürzen. Die Erzieher*innen werden nicht ausreichend auf ihre verantwortungsvolle Tätigkeit vorbereitet und fühlen sich oft überfordert.
Wir müssen nicht schnell neue Kitas bauen, sondern erst mal die füllen, die wir haben. Und zwar mit bestbezahlten, qualifizierten Fachkräften. Elisabeth Krista, Berlin
Gegen Elterntaxi
„Stellwerkfehler aufgrund eines Stromausfalls“, taz vom 18. 1. 2018
Sehr geehrte Frau Messmer, so sehr ich Ihre Kritik an der S-Bahn teile (meine Frau fährt fast jeden Tag mit der S 1 zur Arbeit und kann viele Geschichten erzählen), erstaunt mich aber, dass Ihre neunjährige Tochter zwölf Kilometer zur Schule fahren muss. Gibt es in Pankow keine Grundschulen? In diesem Alter ist es doch wichtig, dass die Schule und die (Schul-)Freunde in der Nähe sind. In der Oberschule bleibt dann noch genug Zeit, den Umgang mit den Unwägbarkeiten des öffentlichen Personennahverkehrs zu lernen – und da ist das Elterntaxi endgültig kontraproduktiv.
Martin Lutze, Berlin
Sinnlos und blöde
„Suizid im Knast. Häftling saß wegen Schwarzfahrens“, taz vom 24. 1. 2018
Wie traurig und schrecklich ist diese Nachricht! Ein Mann nimmt sich das Leben, nachdem er wegen Schwarzfahrens inhaftiert wurde und sich möglicherweise ausrechnete, es nie mehr irgendwie zu schaffen in dieser Gesellschaft – ein Teufelskreis, denn er würde ja doch kein Geld für ein Ticket, geschweige denn für Strafzahlungen haben, nie mehr Bewegungsfreiheit!
Vor einigen Monaten wurde ich in der S-Bahn Mithörerin eines Telefonats. Ein junger Mann sprach voller spürbarer Verzweiflung mit Freunden oder Verwandten, bat sie um Geld, um nicht in den Knast zu müssen. Sie ließen ihn offensichtlich abblitzen. Er krümmte sich immer mehr und starrte nur noch ganz still zu Boden. Ich sprach ihn an, es ging um Schwarzfahren. Wir haben das Problem gemeinsam gelöst, jedenfalls für dieses eine Mal.
Wie kann das aber sein, dass unsere wohlsituierte demokratische Gesellschaft einen Menschen wegen Schwarzfahrens derart scheitern lässt? Haben BVG und Staat mal überschlagen, wie teuer sie mehrere Wochen Knast für diesen Menschen kommen im Verhältnis zu ein paar Fahrscheinen oder einem Sozialticket für Bedürftige? Wie sinnlos und blöde ist so eine Inhaftierung! Fidburg Thiele, Berlin
Long Frauen-Johns
„Lange Unterhosen und Kunstpelzmützen wärmen das Herz“, taz vom 15. 1. 2018
Long Johns gibt’s, sogar für Frauen. Ohne Eingriff. Zum Beispiel von Devold, Woolpower, Houdini, Falke und anderen in guten Sport- und Outdoorausrüsterläden. Idealerweise aus Merino. Vorteil: Muss nicht so oft gewaschen werden. An die frische Luft hängen reicht auch für ’ne Weile. Sehen gar nicht mal so schlimm aus, sitzen gut und halten tatsächlich die Form und vor allem super warm. Daniel Baier
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