Oxycontin in Berlin

Protest: Die Sacklers verkaufen Opioide und spenden für Kunst

Von Brigitte Werneburg

Gewöhnlich tritt Nan Goldin mit Fotografien an die Öffentlichkeit. Jetzt aber bekommt sie deren Aufmerksamkeit aufgrund ihrer Kampagne #ShameOnSackler. Sackler heißt die Familie, deren Name im Kunstbereich Inbegriff guter Werke ist. Als Philanthropin, also Menschenfreundin, gibt die Familie Geld für Museen und deren Bildungseinrichtungen, wobei sie ihren Namen auf den Spenden deutlich vermerken lässt. Nicht nur auf einem Gebäudeflügel wie im Metropolitan Museum in New York prangt der Name, sondern auch auf dem Sackler Escalator in der Tate Modern in London und der Sackler Staircase im Jüdischen Museum Berlin.

Nan Goldin sieht nun in der Philanthropie der Sacklers einen Versuch, in Museumshallen „Blutgeld“ reinzuwaschen. Sie und ihre Mitaktivisten fordern die Sacklers auf, statt in Museumsgalerien besser Geld in Entzugseinrichtungen und die in allen US-amerikanischen Rettungsfahrzeugen dringend benötigten Medikamente gegen Überdosen zu investieren. Denn die Drogenepidemie gerade unter der ländlichen weißen Mittelschicht in den USA, unter Angestellten, Arbeitern, Schülern, Studenten, jungen Müttern und Rentnern, die seit geraumer Zeit Schlagzeilen macht, hat ihre Ursache im Schmerzmittel Oxycontin. Das aber ist nicht nur die Ursache für bislang 200.000 amerikanische Drogentote, sondern auch eine der Grundlagen des auf 14 Mil­liarden Dollar geschätzten Vermögens der Sacklers.

Ein Kulturwandel

Nan Goldin hat Grund, sich mit den Sacklers zu beschäftigen. Ausgerechnet in Deutschland, in Berlin, wo die Verschreibungspraxis von gefährlichen Schmerzmitteln angeblich besonders restriktiv ist, bekam Goldin 2014 vor einer Operation Oxycontin verschrieben und wurde quasi über Nacht von dem stark suchterzeugenden, künstlichen Opioid abhängig. Was nicht wundert, war die Fotografin doch bis 1989 drogenabhängig, ihr hätte das Mittel nicht verabreicht werden dürfen. (Erst drei Jahre später war sie wieder clean.) Oxycontin ist einfach zu bekommen. Dafür sorgt auch das aggressive Marketing der Herstellerfirma Purdue Pharma, wie das Drogenlabor der Sacklers heißt.

Purdue Pharma hat mit seinen Werbekampagnen für Oxycontin, wie Experten sagen, einen regelrechten Kulturwandel auslösten. Weil darin über das Suchtrisiko und Missbrauchspotenzial des Schmerzmittels gelogen wurde, zahlte die Firma 634,5 Millionen US-Dollar Strafe. Inzwischen geht der Umsatz in USA zurück. Deshalb vermarkten die Sacklers ihr Oxycontin auf die altbekannte Tour jetzt in Latein- und Südamerika sowie in China und Afrika.