berliner szenen
: Doch noch von Foodora eingeholt

Wenn meine Mutter und meine Patentante mich in Berlin besuchen, dann stehe ich immer vor der Frage: selbst kochen, Restaurant oder Foodora? Beide sind sie Feinschmecker, Genießer und große Köche. Das Selberkochen wird also wie immer verworfen, stattdessen entscheide ich mich für den guten, alten Restaurantbesuch.

Ich reserviere in einem marokkanischen Restaurant in Prenzlauer Berg. Als wir abends den kleinen Gastraum betreten, ist es mir etwas peinlich, dass ich kurz zuvor meinen Besuch hektisch angefeuert habe, in Erinnerung an diverse verpasste Reservierungen. Der Raum ist komplett leer, bis auf eine außergewöhnlich kleine Frau, die mir mütterlich den Mantel abnimmt und uns an einen Tisch setzt.

Wir sitzen zufrieden in dem mit dunkelroten Tüchern behängten und von Kerzenschein beleuchteten Wohnzimmer und fühlen uns, als seien wir in Marrakesch gelandet. Wir kosten von den Vorspeisen und ich bemerke zufrieden die anerkennenden Gesichtszüge meiner Patentante, als urplötzlich die orientalische Musik von einem sehr lauten und sehr nervtötenden Klingeln unterbrochen wird, das über die Lautsprecher in unser Wohnzimmer schallt. Die kleine Frau schimpft und tippt wie wild auf einem Tablet rum. Sie dreht sich um und schaut entschuldigend, wir lächeln. Irgendwann hört es auf zu bimmeln.

Gemeinsam kombinieren wir, das es sich bei dem Tablet um eine Mischung aus Musikanlage, Kasse und Foodora-Auftragsüberbringer handeln muss. Während des Essens klingelt es noch mindestens fünf weitere Male. Die kleine Frau ist überfordert. Meine Mutter lacht, ihr schmeckt’s. Trotzdem schade. Da saßen wir entspannt in unserem Wohnzimmer in Marrakesch und wurden doch von Foodora eingeholt. Marlene Militz