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Stullen statt Starkbier

ORTSTERMIN Von protestantischer Ethik und hamburgischem Selbstvertrauen: Die Handelskammer fragt nach dem Ertrag des Kirchentags im nächsten Jahr

Das Haus, in dem die Handelskammer residiert, ist eindrucksvoll. Es regt dazu an, sich darin zu verlaufen. Wir sitzen dann doch alle glücklich im „Plenarsaal“ und es geht um den 34. Deutschen Evangelischen Kirchentag, der vom 1. bis zum 5. Mai 2013 in Hamburg abgehalten wird. Und weil wir es mit der Handelskammer zu tun haben, geht es um die Frage, was dieser Kirchentag dem Einzelhandel bringt, Hotels und Gaststätten, kurz: was denn die einen Protestanten an Geld bei den anderen lassen.

Von Jan-Peter Halves, Geschäftsführer der City-Initiative Bremen, erfahren wir: Knapp 100.000 Dauerteilnehmer waren 2009 beim Kirchentag in Bremen, davon ein Viertel Schüler und ein Zehntel Studenten, 40 Prozent unter 30 Jahren, die Mehrheit weiblich. Und dass die alle „weniger Geld ausgegeben haben, als der Handel erwartet hat“. Trotzdem spricht Halves von einem „Erfolg“ für „Bekanntheit“ und „Image“ Bremens. Kaum Regung im Saal. Sicher muss Bremen an „Image“ und „Bekanntheit“ arbeiten – Hamburg nicht.

Dann spricht Jochen Baumann, Marketingleiter des 34. Kirchentages in Hamburg. Er rechnet mit 120.000 Dauerteilnehmern, plus 40.000 pro Tag, er kündigt 50 Kunst- und Kulturprojekte an, 50.000 ehrenamtliche Helfer, 350.000 Besucher am „Abend der Begegnung“ und 100.000 beim Schlussgottesdienst im Stadtpark. Nur 20.000 werden in Hotels schlafen, viele bringen Stullen von zu Hause mit, der Protestant ist sparsam.

Auftritt Max Weber

Und damit sind wir bei Max Weber und seinem Aufsatz „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“, erschienen in diesen Tagen vor 108 Jahren im Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik. Wenn Weber nicht völlig daneben liegt, dann stehen die Hamburger Handelskammer – und mit ihr Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz – heute so prima da, weil ein paar der Eigenschaften, die Menschen brauchen, um kapitalistisch zu handeln, etwas mit dem Protestantismus zu tun haben: Sparsamkeit, Genügsamkeit, das Geld auf die Seite legen, nicht verprassen für Papst, Gold in der Kirche, Starkbier, Weißwurst und Brez’n zum Frühstück, wie’s die Katholen tun.

Die jungen Leute, die auf dem Kirchentag beten, singen und tanzen, die in Schulen auf Feldbetten schlafen: Sie wissen genauer als die Handelskammer, was es mit dem Zusammenhang von Protestantismus und Kapitalismus auf sich hat. Von diesem Zusammenhang ist an diesem Ort nur noch das Selbstvertrauen übrig geblieben – sichtbar im Gebäude, in den Porträts im Plenarsaal, im Auftreten des Hauptgeschäftsführers. Seine protestantische Ausprägung rührt daher, dass der Erfolgreiche seinen Erfolg auf Erden als verdient betrachtet, als Hinweis, dass Gottes Auge wohlgefällig auf ihm ruht. Und dass seinen Platz im Jenseits ein dickes Kissen ziert.

Könnte sein, dass die Frage nach dem Pekuniären, was den Kirchentag angeht, ein wenig kurz greift. Wer nur auf die Kohle guckt und den Zusammenhang von Protestantismus und Kapitalismus für selbstverständlich hält, zeigt ja gerade, dass dieser es nicht ist.  ROGER REPPLINGER

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