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Die WahrheitGespräch mit einem Blecheimer

Ralf Sotscheck
Kolumne
von Ralf Sotscheck

Die unfähigste Telefongesellschaft Irlands heißt bekanntlich Eir. Auch Geschäftsübernahmen haben daran nichts geändert.

G lückwunsch! Auch 2017 hat Eir wieder den ersten Platz als inkompetenteste irische Telefongesellschaft belegt. Das Unternehmen ist Abonnementssieger, da helfen auch die Namensänderungen nichts. Gegründet wurde es 1984 als Telecom Éireann. Schon damals wurde mir klar, mit welchen Schwierigkeiten ich im Umgang mit Telecom-Mitarbeitern rechnen musste, nachdem mir einer von ihnen erklärte, dass die Telefonleitung, die ich gerade benutzte, um mit ihm zu sprechen, gar nicht existierte.

Seit der Privatisierung im Jahr 1999 wird Eircom, wie sich das Unternehmen danach nannte, herumgereicht wie ein falscher Fuffziger. Es hat inzwischen neun Mal den Besitzer gewechselt, zuletzt im vergangenen Dezember, als der französische Milliardär Xavier Niel den so gut wie bankrotten Laden übernahm. Die drei Top-Manager erhalten durch den Deal zusammen dennoch rund 100 Millionen Euro.

Viele Millionen kostete 2015 auch die Umbenennung in Eir. Das war freilich konsequent. Die Buchstaben „com“ stehen für „Communication“, und die ist mit Eir kaum möglich. Leider gibt es auf dem Land keine Alternative, weil die Konkurrenz sich auf den lukrativen urbanen Markt beschränkt. So bin ich der teuersten Telefongesellschaft der Welt ausgeliefert.

The Eir That I Breathe

Als mich ein Werbefuzzi nach der Umbenennung anrief und sich als Eir-Berater vorstellte, verstand ich zunächst „Air“. Luft? Hatte die Regierung beschlossen, das Atmen zu besteuern? Zuzutrauen wäre es ihr allemal. Der Berater erkundigte sich jedoch, ob ich mit meiner Telefonleitung zufrieden sei. Ich stellte ihm die Gegenfrage, ob er in einem Blecheimer sitze? So klingt es nämlich schon immer.

Vor ein paar Tagen gab das Telefon dann ganz auf. Zunächst läutete es noch heiser, seitdem ist Stille. Mit dem Handy, das in unserem Dorf nur Empfang hat, wenn man wie im Beichtstuhl auf dem Fensterbrett kniet, rief ich die Störungsstelle an. Menschen arbeiten dort offenbar nicht mehr, ich musste mich mit einem Computer auseinandersetzen, der auf jeden kleinen Fehler bei der Eingabe der endlos langen Kundennummer mit Liebesentzug reagierte und auflegte.

Kastenbeschimpfung

Beim vierten Mal hatte ich es geschafft. Was wird der Kasten nun unternehmen? Und wann? Irgendwie sehne ich mich nach dem Eir-Berater zurück. Der war zwar frei von jeglichem Sachverstand, aber man konnte ihn wenigstens beschimpfen.

Meinen Handyvertrag hatte ich flugs gekündigt, nachdem Eircom den Anbieter übernommen hatte. Das ist Jahre her, aber ich erhalte immer noch jeden Monat eine Abrechnung mit einem Guthaben von 8,86 Euro. Auf meine schriftliche Bitte, mir den Betrag einfach zu überweisen, schrieben mir die Kommunikationsverhinderer, sie benötigen meine PIN-Nummer sowie drei Telefonnummern, die ich kürzlich angerufen habe. Ich antwortete, sie mögen das Geld doch Herrn Niel geben. Er solle sich dafür ein großes Bier kaufen. Bei den Mitarbeitern wird er es brauchen.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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1 Kommentar

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  • Zitat: „Ich antwortete, sie mögen das Geld doch Herrn Niel geben. Er solle sich dafür ein großes Bier kaufen. Bei den Mitarbeitern wird er es brauchen.“

     

    Der erste Satz ist höchstwahrscheinlich überflüssig. „Herr Niel“ hat ja das Geld längst eingesteckt. Der zweite Satz ist (etwas) lustiger. Ein „Milliardär“ kann schließlich Biere kaufe, so viele er trinken mag, auch ohne dass ihm wer was schenkt. Der dritte Satz jedoch ist ziemlich ärgerlich. Herr Xavier Niel ja nicht nur ein Unternehmen aufgekauft, sondern auch jene Mitarbeiter, die sich zunächst für einen Gegenwert von ein paar Bieren als unfähig beschimpfen lassen mussten dafür, dass sie aus Angst um ihren Job „Dienst ganz nach Vorschrift“ gemacht haben.

     

    So gesehen muss es wohl als Zeichen einer noch nicht gänzlich verloren gegangenen Menschlichkeit des Milliardärs interpretiert werden, wenn mittlerweile nur noch Bots ran gehen, falls man diese Gesellschaft kontaktiert. Bots brauchen wenigstens nicht mehr entmenschlicht werden. Sie schämen und sie fürchten sich auch nicht. Die dreifach freien Mitarbeiter haben - anders als die Sklaven früherer Jahrhunderte - nun immerhin wieder die Wahl: Sie können der landestypischen Tradition folgen und ihre Sozialhilfe versaufen, oder sich jedes Bier verkneifen in der irren Hoffnung darauf, dass wieder bessere Zeiten kommen werden, für die bloß so richtig fit sein müssen, dammit es wieder "aufwärts" geht.