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Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen

Der große Schriftsteller Theodor Fontane war auch ein akribischer Chronist des alten Preußens, das nach 1871 vom Deutschen Kaiserreich verschlungen wurde. Wer zum Beispiel seine Novellen und Romane liest, der kann sehr genaue zeitgenössische Beschreibungen Berlins darin finden. Beziehungsweise der Städte drumherum, die damals noch gar nicht dazugehörten. Auch hat er mit seinen berühmten „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ das Bild der Region rund um Berlin geprägt und in diesen Büchern auch Brandenburgs versunkene Historie aufbewahrt, dessen Geschichte von der säbelrasselnd auf „Deutsches Reich“ gebürsteten Geschichte nach 1871 aufgesogen wurde. Wie dann nach 1989 die Geschichte der DDR von der der alten Bundesrepublik. Die verlassensten Landstriche der DDR lagen in Brandenburg und blieben auch im neuen Deutschland aus der Welt gefallen, was 2006 wiederum Rainald Grebe zu seinem lästerlichem „Brandenburg“-Song inspirierte. Jetzt, wo 2019 Theodor Fontanes 200. Geburtstag im Anmarsch ist, dessen Bücher nach der Wende wie aktuelle Wanderführer gelesen wurden, hat die Schaubühne ihn mit „fontane.200“ noch mal ausführlicher auf das Thema angesetzt und wir können jetzt also mit Grebe durch die Mark Brandenburg wandern (Schaubühne: „fontane.200. Einblicke in die Vorbereitungen des Jubiläums des zweihundertsten Geburtstags Theodor Fontanes im Jahr 2019“, Premiere am 14. 1., 20 Uhr).

Ebenfalls einen alten Stoff hat sich am Maxim Gorki Thea­ter der Regisseur Hakan Savaş Mican ausgesucht, dessen atmosphärische Inszenierungen stets durch große Musikalität bestechen. Jetzt schaut er Ödön von Horváths Drama „Glaube Liebe Hoffnung“ genauer an, das von einer junge Frau handelt, die versucht, selbstständig und unabhängig zu leben, und diesen Versuch am Ende mit dem Leben bezahlt. Ihren Leichnam hatte sie zuvor längst der Anatomie verkauft (Gorki Theater, Premiere 13. 1., 19.30 Uhr).

Der tragische Tod einer jungen Frau ist auch Gegenstand des berühmten Schiller-Dramas „Kabale und Liebe“. Zunächst gibt es darin die Hoffnung, die Liebe könnte damals noch fest betonierte Klassenschranken zwischen Adel und Bürgertum einreißen. Dann geht die Fraktion, die für den Klassenerhalt kämpft, gnadenlos über Mädchenleichen. Wie aber gehen wir heute mit einem solchen Drama um, wo es bald möglicherweise nicht einmal mehr Schranken zwischen den Geschlechtern gibt? Christian Weise sieht sich das Stück von 1782 jetzt im Ballhaus Ost noch einmal aus der Sicht der Gegenwart an (11.–14. 1., jeweils 20 Uhr).

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