: Überschwammung
Mit dem Start von Nick geht der Kampf um die Kinderzimmer in eine neue Runde. Held des neuen Senders ist ein alter Bekannter: SpongeBob
VON SILKE BURMESTER
Im Januar 1972 ging ein Ruck durch die Republik. „Schweinchen Dick“ und Konsorten hatten im ZDF Premiere. Eltern, Lehrer, Vertreter von Kirchenverbänden und andere Besserwisser quiekten auf, forderten Boykott. Mittlerweile sind Schutzbefohlene und ihr Programm aus der Fernsehmitte in die Sparte verbannt und können hier Sendungen schauen, neben deren Gewaltgehalt Schweinchen Dick wie ein Marzipanschweinchen in der Schlachterhölle wirkt.
Anders als 1972, wo Kinderfernsehen mit pädagogischer Vollwertkost gleichgesetzt wurde, geht es heute, zum Start des neuen Vollprogramms Nick, um das Geld, das mit den Kids vor der Glotze zu verdienen ist. Mit 125 bis 150 Millionen Euro gibt Super RTL die Höhe der Gelder an, die jährlich für deren TV-Bewerbung einzusacken sind. Der Kölner Konzern, der zu einer Hälfte zu RTL, zur anderen zu Disney gehört, freut sich, dass etwa 70 Prozent der Summe allein auf sein Konto fließt. Doch nun kommt der Viacom-Ableger Nick mit einem Programm, das ähnlich wie das der Kölner mit ihrer „Barbie Show“ und ihren Serien mit Industrie-Protagonisten wie „Power Rangers“ oder „Dragonball Z“ für die Werbeindustrie wie gemacht zu sein scheint: Zwischen Krawumm und sprechenden rosa Pferdchen lassen sich Spots für Actionfiguren, Ü-Eier und Süßigkeiten bestens platzieren.
Deutschland ist einer der wichtigsten Fernsehmärkte in Europa. Die Konkurrenz – auf dem Kindermarkt: RTL und Sat.1 mit ihren Senderfamilien – ist im Vergleich zu anderen Ländern wie Italien oder Großbritannien klein, 8,4 Millionen Kinder im Alter von 3 bis 13 Jahren gilt es ans Programm zu binden. Dieses Potenzial möchten US-Firmen nur ungern den Europäern überlassen. So sendet seit Anfang September auch Time Warners Cartoon Network in einem sechsstündigen Fenster bei Kabel 1 Zeichentrickfilme, unter anderem „Schweinchen Dick“.
Für das erfolgsverwöhnte Programm Nickelodeon kam es einer Schmähung gleich, als man 1998, nach dem ersten Versuch, in Deutschland Fuß zu fassen, wieder die Koffer packen musste. Zu gering war die Verbreitung des Senders, zu schlecht der Verkauf, um sich neben Super RTL und dem öffentlich-rechtlichen Kika zu etablieren, wie Nick-Programmdirektor Markus Andorfer heute sagt. Trotz einer angeblichen Reichweite von 83 Prozent für den Neustart lässt der Aufmarsch der Amerikaner den Programmgeschäftsführer von Kika, Frank Beckmann, recht unberührt. Er beruft sich auf die Qualität, die den Kika auch weiterhin kennzeichnen wird. So hatte Super RTL mit einem Marktanteil im August von 31,4 Prozent gegenüber KiKa mit 16,4 Prozent zwar fast die doppelte Zuschauermenge, „dafür aber sind wir die Nummer eins, was das Image betrifft“. Anders als bei den werbefinanzierten Privatprogrammen können Beckmann und seine Kollegen sich auf den Qualitätsanspruch konzentrieren und kostenintensive Eigenproduktionen von Realserien und Infoprogrammen zeigen, etwa über die Bundestagswahl. Super RTL poliert derweil an seinem Image, in dem man nicht nur das eine oder andere Format kopiert, sondern auch Sendungen wie „Die Schlümpfe“ und „Pink Panther“ eingekauft hat, weil man weiß, dass „die Eltern entscheiden“. Und denen ist sympathisch, womit sie selbst aufgewachsen sind.
So zielt der Start von Nick – Programmdirektor Andorfer erwartet einen Marktanteil von zunächst 5 Prozent – vor allem auf die Markposition von Super RTL. Deren Quotenrenner SpongeBob wird – eventuell zeitgleich – auch bei Nick laufen. Pech für die Neustarter: Sie haben Super RTL die Ausstrahlungsrechte bis 2009 verkauft. Ob SpongeBob dann noch angesagt ist?
Anscheinend haben die weltweit sendenden Amerikaner hinter Nick die Strukturen des Landes, das sie erobern wollen, diesmal Mal besser angeguckt als beim ersten Versuch. Nickelodeons damaliger Claim lautete sinngemäß: „Bei uns bist du der Star – Wann bringst du deinen Eltern Lesen und Schreiben bei?“
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