piwik no script img

Aufm Seelenverkäufer

Heiko Herrlich fällt hin und alle sprechen darüber

Es hatte den Anschein, als befinde sich Heiko Herrlich für einen kurzen Moment auf einem Seelenverkäufer bei Windstärke zehn. Obgleich ihn Gladbachs Mittelfeldspieler Denis Zakaria nur leicht angestupst hatte, torkelte der Trainer von Bayer Leverkusen nach Backbord und fiel hin. Das war künstlerisch wertvoll und erinnerte ein klein wenig an die spektakuläre Aktion von Norbert Meier, der seinerzeit als Coach des MSV Duisburg nach einem eingebildeten Kopfstoß des Kölner Spielers Albert Streit zu Boden gesunken war, als habe ihn die Rechte von Mike Tyson hart am Kinn getroffen.

Meier wurde damals, im Jahre 2005, entlassen, nachdem ihm das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes per Einstweiliger Verfügung sogar das Ausüben jeglicher Trainertätigkeit untersagt hatte. Ein Übungsleiter hat seriös zu sein, er darf sich nicht so gehen lassen, darin war man sich einig. Und auch im aktuellen Fall der „oscarreifen Einlage“ (Gladbachs Vize Rainer Bonhof) will der DFB als Ankläger auf den Plan treten. Der DFB-Kontrollausschuss überprüfe Herrlichs „Schwalbe“, vermelden die Agenturen, was ARD-Moderator Gerhard Delling sicherlich freuen dürfte, denn der forderte eine „deftige Strafe“ für den Delinquenten.

Dabei zeigte sich Heiko Herrlich, ein seriöser Typ, sofort einsichtig. „Ich schäme mich dafür“, sagte er in einem Fernsehinterview. Er habe mit seiner Aktion keineswegs eine Rote Karte für Zakaria fordern wollen. „Das ist im Affekt passiert. Ich muss es mit meinen 46 Jahren schaffen, stehen zu bleiben, ganz klar.“ Dass diese Szene, im Grunde nichts anderes als eine Petitesse mit begrenztem Unterhaltungswert, am Folgetag der DFB-Pokalpartie zwischen Herrlichs Leverkusenern und Gladbach (1:0) zu dem Diskussionsthema in Raucherecken und Betriebskantinen wurde, sagt etwas über eine Unterhaltungsindustrie, die mangels eines echten auch gern vom inszenierten Skandal lebt. Markus Völker

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen