: Konterkarierter Bürgerwille
Der vorgestellte Siegerentwurf zum Spreehafenviertel in Wilhelmsburg stößt im Stadtteil auf viel Kritik
Von Darijana Hahn
Gleich zu Beginn spricht Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) am Dienstag einen Umstand an, der für viele WilhelmsburgerInnen ein neuralgischer Punkt ist: Im neu geplanten Spreehafenviertel im nördlichen Wilhelmsburg beinhalte die überplante Fläche von 20 Hektar „auch die Fläche eines Waldes von acht Hektar“.
Insgesamt geht es um ein Gebiet zwischen den stark befahrenen Straßen Harburger Chaussee und Schlenzigstraße sowie dem Ernst-August-Kanal im Reiherstiegviertel. Für den Wald solle „selbstverständlich Ausgleich“ geschaffen werden, fügte Stapelfeldt bei der Vorstellung des Siegerentwurfes hinzu. Und dass „Teile des Wäldchens bestmöglich in das Quartier integriert“ würden.
Der Wunsch nach größtmöglichem Erhalt der Natur in einem ohnehin von Emissionen stark belasteten Gebiet war jedoch einer der zentralen Forderungen in der im Juni begonnenen Bürgerbeteiligung.
Dass keiner der drei Entwürfe von dem vorgegebenen Soll von 1.000 Wohneinheiten abrückte, haben die fünf gewählten Bürger-Sachverständigen in einem Statement kritisiert. Einer von ihnen, Andreas Schwarz, bringt es auf den Punkt: „Die Bebauungsmenge von 1.000 Wohneinheiten plus Gewerbe konterkariert den Bürgerwillen.“ Dass von den drei Entwürfen von der Jury nun gerade der ausgewählt wurde, der am wenigsten Bürgerstimmen erhalten hatte, ist für Schwarz der letzte Beweis dafür, dass die Bürgerbeteiligung „vorgegaukelt, aber nicht demokratisch etabliert“ sei.
Oberbaudirektor Franz-Josef Höing hingegen spricht von einem „unaufgeregt schönen Entwurf“. Und auch Sören Schäfer von der Stiftung Bürgerhaus Wilhelmsburg, der für den Beteiligungsprozess verantwortlich ist, unterstützt die Entscheidung der Jury. In dem Entwurf von den Hamburger Planungsteams „Biwermau Architekten“ und „WES Landschaftsarchitektur“ liege das größte Potential, „wichtige BürgerInnenanforderungen später tatsächlich realisieren zu können“. Bei weiteren Bürgerbeteiligungstreffen könne der Entwurf noch justiert werden.
Die Initiative „Waldretter“ kämpft hingegen weiter für den Erhalt einer der beiden Waldflächen. Auf dem westlich von der Georg-Wilhelm-Straße gelegenen Gelände habe sich innerhalb von 55 Jahren ein Auenwald entwickeln können, der mit seinen Weiden, Pappeln und Eschen eine einzigartige Wildnis bilde. Er sei ein wichtiger Puffer zwischen dem Reiherstiegviertel und der Hafenrandstraße.
Für Heike Sudmann, Stadtentwicklungspolitikerin der Linksfraktion ist es „ein Hammer“, dass die Planungsverantwortlichen weder zum Verkehrsaufkommen auf der Hafenrandstraße noch zur Ausgleichsfläche für den Wald konkrete Aussagen machten. Am Donnerstag hat sie dazu eine Kleine Anfrage gestellt und sprich von einem „Plattmachen des Pionierwaldes“.
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