AC Mailand verkommt zur Lachnummer: Ein komplettes Desaster
Vom ruhmreichen AC Milan ist nicht mehr viel übrig. Nun wird der überschuldete Klub auch noch von der Uefa kritisch beäugt. Eine Transfersperre droht.
Gattuso, vor wenigen Wochen erst als Trainer verpflichtet, ist ratlos. Unter seiner Leitung wurde Milan zum Ligagespött, als es dem statistisch schlechtesten Erstligaklub der Welt, Benevento Calcio, zu dessen allererstem Punkt verhalf. Ein Kopfballtreffer des gegnerischen Torwarts bei einem Eckball in der Nachspielzeit bescherte den Rossoneri diese Blamage. Mit einem Kopfballgegentreffer nach Eckball wurde auch die Niederlage gegen Verona eingeleitet.
Die simpelsten Dinge wie etwa die Zuordnung bei Standards funktionieren nicht. Das ist keine neue Erkenntnis. Seit dem Weggang von Carlo Ancelotti und dem Verkauf der Stars der goldenen Ära sind die Fehler häufiger und die technischen Kabinettstückchen weniger geworden. Wer allerdings glaubte, dass die Talsohle schon erreicht sei und es mit der Einkaufsoffensive im Sommer mit Investitionen in Höhe von etwa 100 Millionen Euro wieder bergauf gehen würde, reibt sich jetzt die Augen.
Feine Techniker wie die Neuzugänge Hakan Calhanoglu und Franck Kessie wurden zu Spukgestalten im Mittelfeld. Stürmer wie Andre Silva und Nikola Kalinic, die in ihren jeweiligen Auswahlmannschaften auf Torquoten von immerhin 0,6 (Silva für Portugal) und 0,4 (Kalinic für Kroatien) kommen, versagen im Milan-Dress regelmäßig die Nerven.
Der „psychologische Druck“ von sechs Millionen Euro
Zum sportlichen Desaster kommen atmosphärische Störungen. Gianluigi Donnarumma, Nachfolger von Gianluigi Buffon in der Squadra Azzurra, wurde schon im Sommer von seinem Berater Mino Raiola zum Weggang gedrängt. Donnarumma blieb, beugte sich dabei einer Hasskampagne der Tifosi. Vergoldet wurde dem Teenager sein Bleiben mit einem Jahresgehalt von sechs Millionen Euro. Angesichts der jüngsten Milan-Pleiten auf dem Feld versucht Raiola seinen Schützling wieder aus dem bis 2021 gehenden Vertrag loszueisen.
Sein Trick: Er warf Milan „psychologischen Druck“ bei der Vertragsunterzeichnung vor. „Sechs Millionen Euro, unter diesem psychologischen Druck möchte ich auch einmal stehen“, witzelten enttäuschte Anhänger. Die anderen pfiffen ihn aus. Selbst Ex-Premier Enrico Letta tweetete: „Wäre ich im Stadion, ich würde ihn auch auspfeifen.“
Ex-Premier und Milanist Letta
Raiolas durchsichtige Absetzbewegung hat noch ein weiteres Motiv. Die Uefa erteilte den Managern des AC Mailand eine kühle Absage, als die ihren Entschuldungsplan vorlegten. Die endgültige Entscheidung ist ins Frühjahr vertagt. Aber dem Klub drohen Einschränkungen auf dem Transfermarkt und ein Verbot der Teilnahme an den europäischen Wettbewerben.
Unklar ist vor allem die Vermögenslage von Besitzer Yonghong Li. Dessen Reichtum soll auf dem Besiitz einer Phosphat-Mine gründen. Doch dieser angeblich wertvollste Vermögenswert Lis wechselte laut Recherchen der New York Times in den letzten Jahren mehrfach den Besitzer. Der aktuelle Eigner meinte, Yonghong Li gar nicht zu kennen.
AC Mailand als Tochterunternehmen von Udinese
Um Milan überhaupt kaufen zu können, bediente sich Li eines Kredits des Hedgefonds Elliott. Der ist als eine der größeren Heuschrecken weltweit gefürchtet. Die Rückzahlungsmodalitäten der insgesamt 303 Millionen Euro bereiten denn auch der Uefa Kopfzerbrechen. Weil Li den Kredit offenbar nicht bedienen kann, suchen die Milan-Manager jetzt nach Investoren, die die Zahlung übernehmen.
An erster Stelle nannte der gewöhnlich gut informierte Branchendienst „calcio e finanza“ den Londoner Finanzdienstleister BGB Weston. Der ist für die Auslandsdeals der Familie Pozzo zuständig. Die besitzt den Serie A-Klub Udinese Calcio, dessen England-Ableger FC Watford und die spanische Filiale in Granada. Der AC Mailand würde so zum Tochterunternehmen des kleinen Udinese.
Von der Tabelle her passt das. Udinese hat – bei einem Spiel weniger – nur drei Punkte weniger als Mailand, aber immerhin Stürmer, die häufiger treffen. Mittelmaß trägt jetzt den Namen AC Mailand.
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