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Wenn der Liebling alt wird

Hunde, wollt ihr ewig leben? Auch Haustiere werden alt, doch besondere Heime, die sich um sie kümmern gibt es wenige. Eine große Lücke. Und ohne freiwillige Hilfe läuft es nicht

Trotz Aufnahmestopps kommen immer noch etwa 40 Anfragen pro Woche

Von Laila Oudray

Als Jochen vorsichtig zum Napf geht und frisst, ist Stephanie Badura erleichtert. Der kleine Mischlingsrüde hatte seit mehr als einem Tag nichts mehr gefressen. „Mir fällt ein Stein vom Herzen“, sagt die 35-jährige. Jochen lebt erst seit wenigen Tagen bei ihr, jeder Tag könnte der Letzte sein. Immerhin ist er schon 21 Jahre alt – für Hunde ein biblisches Alter. Bis es so weit ist, kümmert sich Badura um ihn. Seit etwa drei Jahren begleitet sie alte Hunde in ihren letzten Lebensmonaten. Ihr Haus und Grundstück in Blankenfelde-Mahlow hat sie zu einem Hundehospiz umgebaut.

In ihrem Wintergarten stehen überall Hundekörbchen, die meisten der 15 Hunde schlafen. Nur ein Zwergpinscher, der zu Besuch ist, tollt mit einer gemütlichen Bulldogge herum. Stefanie hat ihre blauen Haare zurückgesteckt, sitzt auf dem Sofa und trinkt einen Energy­drink. Gleich wollen sie und eine Bekannte losgehen, um für die kleinen Hunde Mäntel zu kaufen. Auf ihrem Schoß hat sich Kira hingelegt: „Sie stammt von einem Drogendealer aus Marzahn. Sie wurde beschlagnahmt und kam dann zu mir. Sie ist zwölf und hat Krebs.“

Fast alle Hunde um sie herum sind krank: Sie leiden an Diabetes, Osteoporose oder Herzerkrankungen.

Wuffi als finanzielle ­Herausforderung

Mit dem Alter kommen die Krankheiten. Wenn Haustiere wie Hunde oder auch Katzen alt werden, häufen sich die Beschwerden. Fast die Hälfte aller Hunde über zwölf Jahre leidet an Herzerkrankungen, jede dritte Katze über zehn Jahre an einer chronischen Niereninsuffizienz. Häufig treten bei alten Tieren mehrere Erkrankungen gleichzeitig auf. Außerdem verlieren sie langsam ihr Augenlicht und ihren Gehörsinn. Die Besuche beim Tierarzt werden häufiger und kostspieliger. Ein älteres Tier zu verpflegen ist eine finanzielle Herausforderung.

Nach Annette Rost vom Tierschutzverein Berlin haben sie deswegen weniger Chancen, vermittelt zu werden: „Es gibt zwar explizite Anfragen nach älteren Tieren, weil sie ruhiger sind. Aber Jungtiere werden einfacher vermittelt.“ Somit bleiben die Senioren häufig im Tierheim, bis sie sterben. In Berlin und Brandenburg gibt es nur wenige Einrichtungen, die sich auf deren Bedürfnisse spezialisiert haben. Dazu gehören Stephanie Badura mit ihrem Hundehospiz und der Vogelgnadenhof in Blankenburg.

Im Vogelgnadenhof

Einmal quer durch die Schrebergärten und über eine Autobahnbrücke – so kommt man zum Vogelgnadenhof im Norden Berlins. Etwa 300 Vögel, 30 Hunde und zwanzig Katzen leben hier. Seit 2006 existiert der Hof – Hartmut Benter hat ihn gemeinsam mit seinem Partner Dirk Bufé 2006 gegründet. „Wir haben gemeinsam in einem Tierheim gearbeitet und gesehen, wie die alten Tiere nicht mehr vermittelt worden sind. Wir haben uns entschlossen, ihnen einen schönen Lebensabend zu schenken“, erzählt Benter. Sie kauften das Haus an der Burgwallstraße und nutzten das Grundstück, um die alten Tiere zu versorgen.

Benter steht am Zaum zum Hof und schaut sich um. Einige Hunde spielen auf dem Hof, die anderen schauen ihnen vom Wohnhaus aus zu. Die Vögel sind in großen Volieren mit Innen- und Außenbereich untergebracht, die Katzen haben ein eigenes Häuschen. Ein Helfer ist gerade da, um sich um die Tiere zu kümmern und den Hof zu reinigen. „Die heruntergefallenen Blätter nerven sehr“, sagt Benter und zeigt auf die Bäume rund um das Grundstück.

Insgesamt 15 Helfer*innen sind bei dem Verein aktiv und kümmern sich jeden Tag um die Tiere. Benter und Bufé leben auf dem Grundstück, so dass auch nachts immer jemand für die Tiere da ist. Wenn sie vormittags arbeiten gehen, ist ein anderer Helfer vor Ort. Außerdem kommt eine Tierärztin täglich zum Hof und untersucht die Tiere.

Doch das Altersheim steht vor dem Aus. Das Gelände befindet sich in einem Wohngebiet. Aus baurechtlichen Gründen ist der Betrieb dort eigentlich erlaubt, bisher duldet das Bezirksamt Berlin-Pankow das Heim noch. Bis Frühjahr 2018 müssen allerdings Benter und Bufé mit den Tieren umziehen. Doch die Suche nach einem geeigneten Ort gestaltet sich schwierig. Am geplanten Alternativstandort Bürgerpark protestierten Anwohner, ein Umzug nach Berlin-Buch scheiterte, weil der Bezirk das Gelände als Schulstandort nutzen wollte.

„Wir würden gerne in Pankow bleiben, hier haben wir unsere ganzen Strukturen. In Spandau beispielsweise müssten wir wieder bei Null anfangen. Das würde nicht funktionieren“, erzählt Benter.

Wegen dieser unsicheren Zukunft hat der Verein einen Aufnahmestopp verhängt, doch es kommen immer noch etwa 40 Anfragen pro Woche. Die meisten seien Privatpersonen, die ihr Haustier abgeben wollen. Meistens sind sie selbst zu alt, um sich um das Tier zu kümmern, oder sie können nicht mehr finanziell für das Tier aufkommen. Mit der drohenden Schließung des Altenheims würde eine Adresse wegfallen, an die sie sich wenden könnten.

Die Hunde kommen zuerst

Auch Stephanie Badura erreichen täglich Anfragen, doch auch sie kann keine weiteren Hunde aufnehmen. Schon jetzt richtet sie ihr ganzes Leben nach den Hunden in ihrer Obhut: „Sie kommen zuerst, dann ich. Bevor mein Kühlschrank voll ist, sollen deren Näpfe voll sein“.

Hinter ihr steht kein Verein. Sie stimmt ihre Arbeitsschichten mit ihrem Lebensgefährten ab, sodass die Tiere nie alleine sind. Ihr Gehalt investiert sie in die Pflege der Hunde. Eine Tierärztin kommt regelmäßig vorbei und untersucht die Tiere. Für das nächste Jahr ist geplant, ein Quarantänehaus auf ihrem Grundstück zu bauen, wo Hunde mit ansteckenden Krankheiten untergebracht werden können. Mit einem Blick auf Jochen, der nach seiner Mahlzeit wieder eingeschlafen ist, ergänzt die 35-Jährige: „Aber erst mal den Winter überleben.“

Ein würdevolles Leben im Alter – nicht nur für Menschen ein frommer Wunsch. Stephanie Badura und der Vogelgnadenhof versuchen das den Tieren in ihrer Obhut zu bieten. Ihr Engagement macht deutlich, wie dringend solche Einrichtungen gebraucht werden, die sich speziell für die Bedürfnisse älterer Tiere einsetzen. Doch keiner weiß, wie lange das speziell in Berlin noch möglich ist. Auf dem Vogelgnadenhof hoffen die Gründer noch, ein Gelände zu finden, auf das sie ziehen können. Und wenn man keins findet? Hartmut Benter steht am Zaun, ein paar seiner Schützlinge haben sich daran versammelt und schauen ihn an. Der Schmerz ist ihm ins Gesicht geschrieben: „Ich weiß es nicht“, murmelt er.

Mehr Infos: vogelgnadenhof.de

stevies-hospiz.de

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