piwik no script img

Unverbremt: Karolina Meyer-Schilf über den Gelben SackDie gelbe Gefahr

Bremen bekommt einen Gelben Sack neuen Typus: Ab Januar werden die Hürden zu seiner Erlangung noch höher. Bislang stellte die zuständige Firma Nehlsen jährlich Bezugsscheine aus, die dann gegen je eine Rolle Gelber Säcke eingetauscht werden konnten. Kam man mit den vier zugeteilten Coupons übers Jahr nicht hin, konnte man Coupons nachbestellen.

Doch ab dem kommenden Jahr übernimmt die Firma RMG Rohstoffmanagement GmbH mit Sitz in Eltville am Rhein das Regiment. Am System selbst ändere sich nichts, versichert der Geschäftsführer Klaus Kögel auf Nachfrage der taz. Nur komplizierter wird es: RMG stellt die Coupons nicht mehr automatisch zu. Stattdessen hat die Firma eine Software entwickelt, mittels derer die BürgerInnen sich im Internet einen aus Buchstaben und Zahlen bestehenden Code aufs Smartphone laden müssen. Zeigt man das an der Verkaufsstelle vor, wird einem die Gelbe-Sack-Rolle, bestehend aus zehn Säcken, ausgehändigt. Wer kein Smartphone besitzt, kann auch die Hotline anrufen, notiert sich den Code dann auf einem Zettel und zeigen eben den vor. Und selbst für die „80-jährige Tante, die kein Smartphone hat und schwerhörig ist“, wie Geschäftsführer Kögel sagt, ist gesorgt: Sie kann einen Brief an die RMG schreiben und erhält dann ausnahmsweise per Post den Code. An die Stelle des bremisch-bräsigen, passiven Gelber-Sack-Konsums tritt aktive Bemühung um Entsorgung.

Die Firma RMG ist auch in anderen Regionen Deutschlands mit dem Gelben-Sack-Management betraut. Dort handhabt sie es so: „Man geht zur Verteilstelle, sagt: ‚Ich brauch Gelbe Säcke.‘ Dann greift der Mitarbeiter unter den Tisch in den Karton und gibt einem die Rolle“, erklärt der RMG-Chef. Ganz ohne Berechtigungsschein, für Bremer Verhältnisse geradezu anarchisch. Warum es in Bremen anders läuft: Man wolle das gewohnte System beibehalten, um die Bremer BürgerInnen nicht zu verunsichern. Denn man wisse ja: „Umstellungen schüren Ängste in der Bevölkerung.“ Das wolle man den BremerInnen ersparen.

Ihren Ängsten stellen müssen sich die BürgerInnen aber dennoch: Denn zwischen dem 1. Januar und dem 1. April soll es eine Übergangszeit geben, in der die Gelben Säcke ganz ohne Coupons zu bekommen sind. Das wird nicht nur Ängste schüren. Wer Freiheit nicht gelernt hat, wird kaum eigenverantwortlich damit umgehen können. Umweltverschmutzung, Verschwendung, Massenhysterien werden die Folge sein. Lassen Sie uns ganz ehrlich sein: Die freie Zuteilung Gelber Säcke ist und bleibt ein Vabanque-Spiel. Nehlsen hat das früh verstanden. RMG wird nun auf die harte Tour merken, dass sich die Büchse der Pandora nicht so einfach wieder schließen lassen wird.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen