Ricky ist für absolute Freiheit

Ricky Shayne war wild. Stephan Geene bringt den 1970er Schlagerstar mit „Mutwillig, Shayne“ zurück auf die Bühne

Ricky Shayne, „er hatte schon auch so eine darke Seite“, sagt Stephan Geene Foto: Lena Fingerle

Von Thomas Mauch

Ricky Shayne also. Der mit ziemlich viel Soul in der Stimme „Mamy Blue“ gesungen hat, dieses Lied von einem, der fortgeht in seinem Zorn und dabei zu einem motherless child wird. Eine Art Gospel, man hat es bestimmt schon mal gehört. Selbst wenn man nicht in den Siebzigern groß geworden ist.

Dass der Mann einen ganz besonderen Platz in der Geschichte des deutschen Schlagers hat und dabei durchaus Standards setzte, mag man auch im Umweg über Dieter Thomas Kuhn sehen. Das Markenzeichen dieses recht beliebten Schlagerzweitverwerters aus Tübingen ist bekanntermaßen sein aufgeklebtes Brusthaartoupet. Abgeguckt hat sich Dieter Thomas Kuhn diese Wildheit markierende Optik von Ricky Shayne, der sein Hemd gern weit offen trug – damit das Brusthaar auch zu sehen war.

So ein offenes Hemd ist schon mal ein Statement. Und ein Versprechen. „Ricky ist für absolute Freiheit“, war auf einem Plattencover über den Sänger zu lesen, und dass er in kein Schema passe: „Ricky Shayne ist das Symbol des zornigen jungen Mannes unter den Schlagersängern.“

Was nun auch in einem Theaterstück verhandelt wird: „Mutwillig, Shayne“. Geschrieben hat es Stephan Geene. Dass der Sänger doch „eine einzigartige Erfahrung“ war, sagt der Berliner Regisseur und Autor, mit einer Extrovertiertheit und auch mit Lockungen, die im einigermaßen zugeknöpften deutschen Schlagergeschäft der Siebziger so sonst nicht zu spüren waren.

Er schreibt noch Songs. Gelegentlich tritt er auch mal auf mit seinen Liedern

„Er hatte schon auch so eine darke Seite“, sagt Stephan Geene, der, Jahrgang 1961, die klassische westdeutsche Kindheit durchlaufen hat mit der ZDF-Hitparade, dem deutschen Schlager und eben Ricky Shayne.

Geene war also dabei, und er war fasziniert von dem Sänger. Und diese Faszination treibt ihn weiter um. „Warum war ich so wahnsinnig ansprechbar von ihm“, fragt er, eine Antwort sucht er mit seinem Stück. Seine Premiere hatte „Mutwillig, Shayne“ im Mai dieses Jahres beim Donaufestival im österreichischen Krems, am Freitag und Samstag ist es im Haus der Kulturen der Welt zu sehen.

Geene nennt es ein Essay-Theater, bei dem nicht nur die Geschichte von diesem Schlagersänger Ricky Shayne erzählt werden soll. Es wird über Musik geredet, mit seiner Faszination als Ausgangspunkt hat sich der Autor selbst als eigenes Material zur Reflexion mit eingebracht, damit wird auch in einem geweiteten Blick in die Kinder- und Jugendzimmer der damaligen Bundesrepublik geschaut. Und nicht zuletzt geht es in „Mutwillig, Shayne“ darum, wie sich Ricky Shayne zu alldem verhält.

Geboren wurde Ricky Shayne, Sohn eines Libanesen und einer Französin, 1944 in Kairo. Aufgewachsen ist er im Libanon, als 15-Jähriger kam er mit seiner Mutter nach Paris, wo er zwei Jahre Gesang studierte, in Italien hatte er seine ersten Erfolge als Sänger, um schließlich Ende der sechziger Jahre in Deutschland aufzuschlagen. „Ich sprenge alle Ketten“ (mit dem hübsch trotzigen Refrain „und sage nein, nein, nein, nein, nein“) hieß sein erster Hit, die Bravo würdigte ihn mit etlichen Titelstorys und gleich zwei Starschnitten. Auftritte in der ZDF-Hitparade. Anfang der Siebziger schließlich hatte Ricky Shayne mit der deutschen Version von „Mamy Blue“ seinen Riesenhit.

Früher Hit Foto: Archiv

Und das war es dann im Wesentlichen auch. Zwischendurch wanderte Ricky Shayne in die USA aus, kam wieder zurück nach Deutschland, betrieb kurz mal einen Kiosk in Düsseldorf und hätte schon gern mal wieder einen größeren künstlerischen Erfolg gehabt. Ohne deswegen ins Dschungelcamp gehen zu wollen. Entsprechende Anfragen, heißt es, habe er abgelehnt. Er schreibt noch Songs. Gelegentlich tritt er auch mal auf mit seinen Liedern.

Und in dieser Hinsicht ist „Mutwillig, Shayne“ dann eine richtige Shayne-Gala, weil da nicht nur seine beiden Söhne Tarek und Imran zu sehen sind in der Rolle ihres Vaters. Sondern auch Ricky Shayne selbst wird seinen Auftritt haben im Haus der Kulturen der Welt. Natürlich wird dort auch ein wenig gesungen werden, der Technomusiker und Schlagerfan Justus Köhncke zeichnet für die Musik verantwortlich.

„Ricky Shayne hat seine eigene Stimme in dem Stück“, sagt Stephan Geene, „und er fühlt sich sehr wohl darin.“

„Mutwillig, Shayne“ im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10. Freitag, Samstag 20 Uhr. 10/8 Euro