Ulrike Herrmann über EU-Einigung mit Großbritannien: Exit vom Brexit
Der Brexit scheint abgesagt. Natürlich wird es nicht so deutlich ausgedrückt, aber faktisch wird jetzt klar, dass die Briten wohl in der EU bleiben. Die entscheidenden Worte klingen ganz harmlos, die sich in einem Arbeitspapier finden: „continued regulatory alignment“, zu Deutsch „laufende Rechtsanpassung“.
Tatsächlich wären diese Worte eine Bombe, denn die britische Premierministerin Theresa May hätte damit zugesagt, dass Großbritannien alle wesentlichen Regelungen des EU-Binnenmarktes und alle EU-Zollvereinbarungen mit Drittstaaten unverändert übernimmt. Der Brexit-Traum wäre also ausgeträumt, dass man souverän eigene Freihandelsabkommen mit der großen weiten Welt abschließen könnte.
Die Briten könnten zum Brexit-Abschied gezwungen werden, weil sich das Problem Nordirland als unlösbar erweist. Iren und Briten wollen unbedingt verhindern, dass eine harte Grenze auf der Grünen Insel entsteht, weil im britischen Nordirland andere Zollgesetze gelten als im Rest von Irland, der weiterhin zur EU gehört. Es ist also die Frage: Wer gibt nach? Irland oder Großbritannien?
Die Republik Irland besitzt jedoch einen Trumpf, der nicht zu toppen ist: Mit einem Veto kann sie jede EU-Vereinbarung zum Thema Brexit verhindern. Also müssen die Briten nachgeben – und den Iren zusichern, dass sich auf ihrer Insel nichts ändert.
Wenn die Briten trotz Brexit faktisch im Binnenmarkt bleiben, sind sie eine Art zweites Norwegen, das ebenfalls nicht in der EU ist, aber ökonomisch voll integriert. Diese Konstruktion ist für die Norweger jedoch nicht kostenlos – stattdessen zahlen sie pro Kopf sogar noch mehr nach Brüssel als derzeit die Briten. Es wird also spannend, wie viel es die Briten kosten wird, einen „Brexit“ hinzulegen, der keiner mehr ist.
Fazit: Am Ende aller Brexit-Verhandlungen dürfte der einzige Unterschied sein, dass die Briten nicht mehr im EU-Parlament sitzen. Bisher hat man von ihren Kollegen nicht gehört, dass die Briten sehr vermisst würden.
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