Beate Schederschaut sich in Berlins Galerien um:
Eigentlich wollte Gili Avissar Modedesigner werden. Auf seinem Instagram-Kanal kann man einen Brief lesen, den er als 15-Jähriger von der New Yorker Vogue bekam, nachdem er seine Entwürfe dorthin geschickt hatte. Man empfahl ihm, zunächst ein Modestudium zu absolvieren. Glücklicherweise hat sich Avissar dann doch für die Kunst entschieden. Dem Textilen ist er trotzdem treu geblieben, wie sich derzeit in der Galerie Koal überprüfen lässt. Die schillernden „Devils of Unreason“, die er dort ausstellt, hat er aus Stoffen, Leder und Garnen wild zusammengenäht und -gehäkelt, per Hand und mit der Maschine, zum Teil hinterher bemalt und mit Pflastersteinen beschwert, als würden sie andernfalls davonfliegen. Sie hängen da, als könnte man in sie wie in irrwitzige Verkleidungen hineinschlüpfen – was Avissar in Performances mitunter auch tut. Herrlich allein schon die Vorstellung (bis 22. 12., Mi.–Sa. 12–18 Uhr, Leipziger Str. 47).
Seltsame Wesen erwarten einen auch in Konrad Mühes Ausstellung bei Russi Klenner. Zum Beispiel ein Hund mit einem Holztisch als Körper, einem Videoprojektor als Kopf und einem Kabel als Schwanz, sozusagen in Selbstreflexion versunken. Der Projektor wirft nämlich Ausschnitte aus Hundespielfilmen an die Wand, auf denen drollige Vierbeiner nicht nur den Blick der Besucher_innen, sondern auch des Projektoren-Tisch-Hundes zu suchen scheinen. Ähnlich hintergründig sind die anderen beiden Charaktere im vorderen Raum – ein Eckschrank, von dem aus ein nicht sichtbarer Film auf die Fensterscheibe projiziert wird und eine Teppichrolle, auf deren Videoprojektion sich ein weißes Tuch um ein nicht näher bestimmtes Objekt legt – sowie Mühes reduziert-poetische Videoinstallationen, Drucke und Wandreliefs in den weiteren Räumen. Zeigen und Verbergen, Erscheinen und Verschwinden gehören bei Mühe stets zusammen (bis 6. 1., Mi.–Fr. 12–18, Sa. 11–16 Uhr, Luckauer Str. 16).
Völlig unbewohnt ist hingegen der „Altbau“ von Alvaro Urbanobei ChertLüdde.Und auf grandiose Weise irritierend. Fast fühlt man sich darin wie ein Truman Burbank, dem gerade ein Scheinwerfer direkt vor die Nase gefallen ist, denn nichts von dem, was Urbano in der Kreuzberger Galerie aufgebaut hat, ist, wie es scheint. Alles ist Attrappe. Darum empfiehlt es sich, etwas zu tun, was in Galerien sonst nicht erlaubt ist: die Kunst anzufassen. Dann erst bemerkt man, dass die Pappkartons, nicht adressierten Briefe, Kaffeebecher, das Herbstlaub, die Zigaretten und Türen aus dem falschen Material und damit komplett funktionslos sind (bis 27. 1., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Ritterstr. 2a).
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