Leyla YenirceInselstatus: Warum nachhaltigerWohnraum gut ist, aber nicht zu jedem Preis
Liebe Insel, knapp 20 Quadratmeter für nur 533 Euro warm. Klingt wie ein WG-Zimmer in der Schanze. Aber tatsächlich ist es der Preis für ein Zimmer im Studierendenwohnheim Woodie. Ein Neubau in unmittelbarer Nähe zur S-Bahn Wilhelmsburg. Dort wohnen seit diesem Herbst schon Studenten. Den lustigen Namen trägt das Wohnheim, weil es überwiegend aus Holz gebaut ist, hihi. Ausgedacht haben sich den Spaß die Architekten von Sauerbruch Hutton. Die Nachfrage ist groß, die Zimmer fast alle ausgebucht.
Man könnte dem Architekturbüro Greenwashing vorwerfen, wenn man einen Blick auf die Homepage von www.woodie.hamburg wirft. Dort wird in Baumstammoptik vom tollen neuen Wohnprojekt erzählt.
Das Marketing hat sich aber noch mehr ausgedacht: In einem kurzem Video wird der Bauprozess erklärt und ein Einblick in praktisch geschnittene Studierendenzimmer gewährt, in dem auf engstem Raume Bad, Küche und Wohnbereich verpackt sind. Dies alles selbstverständlich umgeben von Wiesen und ganz viel Wasser, wie es Wilhelmsburg nun mal reichlich zu bieten hat.
Eigentlich sieht es aus wie eine Skizze der urbanen Wohnzukunft: nachhaltig, grün, und effizient. Fantastisch! Wäre da nur nicht der Preis. Verglichen mit einem Zimmer in einem Wohnheim des Studierendenwerks in Hamburg kostet die Wohnung im Woodie fast das Doppelte. Es handelt sich nicht einfach nur um ein praktisches Dach überm Kopf, sondern um Luxus-Apartments für Studierende, die reichlich Schotter besitzen. Ein wenig erinnert es mich an die „Smartments“ im Münzviertel am Hamburger Hauptbahnhof. Kleine kompakte Studierendenapartments für über 500 Euro im Zentrum der Stadt, die ebenfalls einen lustigen Namen tragen. Dort haben sich die Architekt*innen das Greenwashing gespart, denn die Lage direkt am Hauptbahnhof schien anscheinend verlockend genug.
Ja, so sieht Gentrifizierung ganz konkret aus, nämlich in Zahlen und Quadratmetern ausgedrückt. Hinzu kommt, dass nicht einfach nur die Mieten steigen, sondern private Bauunternehmen die verzweifelte Suche von Studierenden nach Wohnraum ausnutzen. Wer sich ihn nicht leisten kann, muss dann entweder weitersuchen oder noch einen Nebenjob mehr annehmen, um sich Woodie leisten zu können.
Liebe Insel, wie schön wäre es doch! Woodies für alle, und am besten noch in der Hand des Staates, der für diejenigen, die Wohnung brauchen, ebensolche nachhaltigen und praktischen günstig zur Verfügung stellt. Und nein, tut mir Leid, aber SAGA allein reicht nicht aus. Denn auch dort stehen Wohnungssuchende jeden Morgen Schlange und der Bauverein Reiherstieg ist mit seinen paar Wohnungen auch schon restlos ausgebucht.
Leyla Yenirce ist Kulturwissenschaftlerin und schreibt wöchentlich aus Wilhelmsburg über Spießer*innen, Linke, Gentrifizierer*innen und den urbanen Wahnsinn in der Hamburger Peripherie.
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