Thomas Mauch
Ausgehen und Rumstehen
: Ganz prinzipiell mal
negativ gestimmt

Vielleicht interessiert in dem Zusammenhang, dass Chinesen gar nicht Nein sagen können. Weil sie schlicht kein Wort dafür zur Verfügung haben, also kein knappes und möglicherweise barsches Nein, Ne, No, Njet … Stattdessen braucht man im Chinesischen, will man seine Ablehnung anzeigen, schon einen kleinen Satz und muss bù shì sagen. Heißt: „So ist es nicht.“

Da ist man doch gleich in den Übersetzungsverhältnissen verloren. Und das jetzt mit Musik.

„Nein“ war das prinzipielle Thema am Wochenende im Haus der Kulturen der Welt, wo man ja in den vergangenen Jahren bereits die „doofe“ oder „böse“ Musik und zuletzt „Free! Music“ in Festivals durchgearbeitet hat. Nun also hieß es „No! Music“. Was das Nein im Zusammenhang mit der Musik in zwei unterschiedliche Denkrichtungen in Position bringt: als Nein, das mit der Musik zum Ausdruck gebracht werden soll, und, etwas brachial übersetzt, die Nichtmusik.

Nicht fehlen durfte bei diesem Festival natürlich der Punk, der ja allemal so was wie die heilige Kuh der Negationsmusik ist. Am Samstagnachmittag stand sie auf einem Panel zur Diskussion. Titel: „Punk als Prinzip“.

Aber wie das halt mit den heiligen Kühen so ist. Schlachten darf man sie nicht, aber zu einer wirklichen Anbetung wollte sich auf dem Podium auch niemand aufraffen, sodass die Gesprächsrunde einigermaßen lustlos zwischen Anekdötchen und bedenkenträgerischen „Jeins“ dümpelte.

Dass das Dagegensein prinzipiell zum Punk gehöre, darauf konnte man sich zwar schon noch irgendwie einigen, und dass es noch Gründe genug dafür gebe, heute. Also auch für Punk. Wobei der Fehlfarben-Sänger Peter Hein resigniert in die Runde fragte: „Wer interessiert sich denn heute noch für Musik?“

Später am Abend widmete man sich im Haus der Kulturen der Welt umfänglich der Nichtmusik mit einer „Gala“, bei der man sich in immer neuen Anläufen mit der John-Cage-Komposition „4’33‘‘“ auseinandersetzte. Wobei bei diesem Schlüsselwerk der Neuen Musik bekanntermaßen, wird es originalgetreu interpretiert, viereinhalb Minuten lang eben kein einziger Ton gespielt wird. Es ist also eine Reflexion über Musik und Stille.

Letztere allerdings war eher abwesend an diesem Abend.

Verheißungsvoll nur der Auftakt: Ganz existenzialistisch und Cage beherzigend zeigte das Vokalensemble Maulwerker zu Beginn der 4’33‘‘-Gala mit mittels Richtmikrofonen abgehorchten Körperfunktionen – Atmen, das Pochen des Herzens –, dass wirklich absolute Stille halt erst mit dem Tod eintritt. Dann ist kein Klang und damit auch keine Musik mehr zu hören. In der Folge aber schien es den Beteiligten weniger um eine Auseinandersetzung mit dem konkreten Cage-Stück zu gehen und mehr darum, irgendwie die vorgegebene Zeit rumzukriegen mit Kunstvideos, Vorträgen, juxigen Schauspielen. Vier Minuten und dreiunddreißig Sekunden aber können sich verdammt lang hinziehen.

Auch Moderator Max Dax gab kaum den Schrittmacher. Mit ausschweifenden Ausführungen bremste er die Gala weiter ab, dass man angesichts von so viel Nichtigkeiten gern wenigstens noch eine Schweigeminute gehabt hätte am Rande dieser Begräbnisstätte, in der dieses eigentlich so radikale Stück von John Cage verklappt wurde.

Ermattet schlich man von dannen. So leer geschlagen, dass man nicht mal mehr fragen konnte: Wo, zum Teufel, bleibt denn das Positive?