Zum Tode Malcolm Youngs: Unruhe im Karton
Mit 20 hatte Malcolm Young die Idee, eine eigene Hardrockband namens AC/DC zu gründen. Ein Nachruf auf einen großen Musiker.
Malcolm Young kam 1953 im schottischen Glasgow zur Welt. Zehn Jahre später sah sein Vater William dort keine berufliche Aussicht mehr und zog mit Ehefrau Margaret und den kleineren der inzwischen acht Kinder ans andere Ende der Welt, nach Sydney in Australien. Malcolm teilte sich dort als Heranwachsender mit seinem jüngeren Bruder Angus ein Zimmer und erlebte, wie seinem älteren Bruder George und dessen Beatband The Easybeats eine Popstar-Karriere gelang. Georges Ruhm war es auch, der Malcolm anspornte, selbst Gitarren-Akkorde zu lernen.
Um sicherzustellen, dass seine Gitarrensaiten nicht zu schnell rissen, zog er die dicksten auf, die er kriegen konnte. Nun brauchte Malcolm Young zwar mehr Kraft und Ausdauer beim Anschlagen, aber dafür ging die nächsten 40 Jahre auch nichts mehr kaputt, keine Saite, kein Riff, kein Song.
Mit 20 hatte Malcolm Young die Idee, eine eigene Hardrockband namens AC/DC (die angloamerikanische Formel für Gleichstrom/Wechselstrom) zu gründen. Zunächst kam er auf den ebenfalls Gitarre spielenden Angus zu, der sich ausdrücklich darüber klar war, von nun an „in Malcolms Band“ zu spielen. Als Sänger wählte Malcolm Young dann Bon Scott, der mit einer Ehe, ein paar Pop-Gruppen und selbst mit Gelegenheitsjobs als Ausfahrer gescheitert war.
Als Bon Scott anfing, mit den Youngs zusammenzuarbeiten, ging er schon auf die 30 zu und hatte das Musikmachen bereits aufgegeben. Aber er konnte nicht nur aus dem Stegreif „Toiletten-Texte“ entwerfen, wie er sie nannte, und bis zum Aufnahmetermin im Studio in etwas Besseres umschreiben, sondern sie auch mit der „dreckigen“ Stimme singen, nach der Malcolm Young immer gesucht hatte.
Streiche wie von Max und Moritz
Auf die Frage eines Interviewers, worum es ihm damals musikalisch gegangen sei, antwortete Malcolm Young einmal, dass der Rock`n`Roll von Chuck Berry in den 1950ern und von The Who in den 1960ern etwas bekommen habe, was AC/DC ihm in den 1970ern zurückgeben wollten. Tatsächlich hörten sich AC/DC stets an, als wollten sie anderen etwas heimzahlen, ohne dass die ihnen auch nur das Geringste getan hätten. Akkorde von Malcolm Young und Angus Young klangen wie Streiche von Max und Moritz, mit dem Unterschied, dass die Youngs im Gegensatz zu Wilhelm Buschs Figuren weder Leute in Brand setzten noch auf andere Weise in Lebensgefahr brachten.
Die aggressiven, zugleich lustigen, anmaßenden und mindestens ahnungsweise auch erotischen Hardrock- und Boogierock-Songs auf den weltberühmten Alben „High Voltage“, „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“, „Let there be Rock“, „Power Age“ , „Highway to hell“ und „Back in Black“ ermöglichte vor allem Malcolm Youngs Selbstbewusstsein. Seine Rhythmusgitarre gab dem Publikum den Gedanken, noch zwischen den Backen eines Schraubstocks tanzen zu wollen. Zusammen mit Angus Young, dem Bassisten Cliff Williams, dem Schlagzeuger Phil Rudd, Bon Scott und dessen Nachfolger Brian Johnson sorgte Malcolm Young auf diese Weise mit jedem Album und nicht zuletzt mit tausenden von Auftritten, für freudige Unruhe im Karton.
Das kostete Kraft. In den letzten Jahren wurde erst seine Lunge krank und dann sein Herz. Bald darauf begann er, seine Songs zu vergessen, und schließlich verließ er die Band, die er gegründet hatte. Nach ihm verloren seine Kumpels entweder das Gehör oder ihre Zurückhaltung bei Drogen oder schlicht die Lust weiterzumachen, sodass AC/DC im Moment nur noch aus Angus Young, dem interessanten Neuzugang Axl Rose und Mietmusikern bestehen. Malcolm Young ist am Samstag friedlich im Familienkreis in Sydney gestorben. Er wurde 64 Jahre alt. Let there be Rock.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen