piwik no script img

Leyla YenirceInselstatusWenn der HVV Schwarzfahrer jagt, soll er auch sein Angebot verbessern

Foto: privat

Liebe Insel, das gewöhnst du dir lieber ganz schnell wieder ab. Oder haust dem HVV ordentlich auf die Finger. So geht es nämlich nicht. Schon die ganze Woche Fahrticket-Kontrollen. Nicht nur im Bus, sondern auch draußen vor den Haltestellen. Tür auf und rein in die Arme der Kontrolleure.

Ja, Schwarzfahren verstößt gegen das Gesetz, aber ein ungeschriebenes Gesetz auf der Insel ist zum Beispiel, dass man auch hinten in die M13 steigen kann und das „Bitte vorne einsteigen und Ticket zeigen“-Schild ruhig ignorieren darf. Aber wie soll das denn möglich sein, wenn jetzt alles so streng wird und die Tür hinten sich nur noch beim Ausstieg öffnet?

Es ist doch so. Es gibt viele, die ohne Ticket fahren und viele, die mit Ticket fahren. Die einen haben eins und können es sich auch leisten und die anderen haben keins. Sie können es sich entweder nicht leisten oder geben ihr Geld lieber für etwas anderes aus als eine Busfahrt für 3,20 Euro.

Ja, ein Ticket kostet mittlerweile schon so viel wie ein Döner. Hätte ich Hunger, würde ich mich wohl für die warme Mahlzeit entscheiden und dann doch auf der Insel bleiben. Bei einer Hin- und Rückfahrt hätte ich mit 6,40 sogar schon ein McDonald’s-Menü drin.

Ohnehin ist der Versuch, auf die nördliche Elbseite zu gelangen, schon häufig genug eine Farce. Muss der HVV die Insulaner*innen durch verschärfte Kontrollen noch weiter abschotten? Wenn der öffentliche Nahverkehr in Hamburg schon beschließt, strenger zu werden, dann fordere ich aber auch bitte mehr Busse in kürzeren Zeitspannen.

Denn das Einsteigen vorne inklusive akribischer Ticketkontrolle kostet viel Zeit und was vorher ganz schnell ging, dauert nun ziemlich lange. Abgesehen davon, dass bei dem Wetter und dem anstehenden Winter eine Busfahrt dadurch noch unerträglicher wird, das Preis-Leistungs-Verhältnis also sehr schlecht.

Und warum gerade so viele Kontrolleure auf der Insel? Wittert der HVV Geldeinnahmen durch eine größtenteils sozial schwächer gestellten Anwohner*innenschaft, die ohnehin nicht so viel Geld besitzt? Schwarzfahren wird mit 60 Euro bestraft. Wenn die Hälfte der Menschen, die im Bus sitzen, keine Tickets bei sich tragen, dann ist das bei einer Razzia ganz schön viel Geld.

Immerhin: Die Anwohner*innen halten zusammen. Als ich neulich in den Bus stieg, rief eine andere Person, die gerade ausstieg: „Großkontrolle an der S-Bahn Veddel“. Darauf verließen prompt drei weitere Menschen den Bus. Deswegen lieber HVV, auch wenn du den Menschen hier an den Kragen willst: Auf der Insel halten wir trotzdem zusammen, zumindestens solange, wie hier noch alle den öffentlichen Nahverkehr nutzen.

Leyla Yenirce ist Kulturwissenschaftlerin und schreibt wöchentlich aus Wilhelmsburg über Spießer*innen, Linke, Gentrifizierer*innen und den urbanen Wahnsinn in der Hamburger Peripherie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen