Der Raub als PR-Aktion

So einfach ist die Sache mit der Kunst und ihrem Wert nicht – das zeigt sich beim Raub von Kunst. Die kann zwar sehr teuer sein, doch außerhalb des Kontextes verflüchtigt sich der Wert

Auf frischer Tat: Eine Überwachungskamera hielt 2004 den Raub der Gemälde „Der Schrei“ und „Madonna“ aus dem Munch-Museum in Oslo fest Foto: dpa

Von Radek Krolczyk

Natürlich ist Kunst eine Ware. Was sollte sie sonst sein? In einer Gesellschaft, die auf Äquivalententausch beruht? In einer solchen Organisationsform des Lebens wird tendenziell alles zur Ware – selbst scheinbar unveräußerliche Dinge wie menschliche Organe. Warum also nicht auch Kunst?

Dass Kunst allerdings eine besondere Ware ist, zeigt sich an einem Extremfall wie dem Raub von Kunst. Hier wird deutlich sichtbar, dass die Ware Kunst einen ungewöhnlich großen Überhang hat. Dieser ist nicht warenförmig und steht dem Warencharakter der Kunst ungünstig im Wege. Dieser Überhang bildet sich aus ihrem ästhetischen Eigensinn, ihrer Inhaltlichkeit, wenn man so will. Und dies führt beim Raub zu Problemen, die man mit anderen Dingen, die man Leuten illegal wegnehmen kann, eben nicht hat.

Nehmen wir als Tatort eine Galerie an. Man besucht beispielsweise eine Malereiausstellung. Gezeigt werden die Arbeiten von jemandem mit einem ordentlichen, aber nicht gerade galaktischen Faktor. Der Faktor dient der Objektivierung des Wertes eines Bildes. Je erfolgreicher der Künstler, desto höher der Faktor. Um den Preis eines Bildes – ganz objektiv, vergleichbar und nachvollziehbar – zu ermitteln, werden Höhe und Breite addiert und mit dem Faktor multipliziert. So einfach ist das. Das gilt zumindest für Bilder noch lebender Künstler.

In dieser Galerieausstellung also, die man besucht, hängt eine Serie kleinformatiger Leinwände. Der Preis beträgt pro Bild 10.000 Euro. Das steht so in der ausliegenden Preisliste und innerhalb des Galerieraumes gilt dieser Preis als gesetzt und wird hier auch erzielt. Außerhalb dieses Kontextes ist es überhaupt nicht möglich, diese 10.000 Euro für eine solche Leinwand zu generieren. Also sollte man das Bild aus der Ausstellung heraus gestohlen haben. Geld ist ein Äquivalent. Man kann jemandem 100 Euro stehlen und sich für den exakten Gegenwert Dinge kaufen. Ein gestohlenes Auto ist recht einfach in dieses Äquivalent zu überführen. Der manchmal auch hohe Wert eines Kunstwerkes verliert sich gewöhnlich außerhalb seines wertbildenden Kontextes.

Die meisten Galeristen fürchten den Kunstklau nicht besonders. Vor allem auf Eröffnungsfeiern verschwinden hingegen gern Kataloge, manchmal auch Weinflaschen. Vor etwa drei Jahren gab es in Berlin den Fall eines spektakulären Kunstklaus während einer Finissage. Plötzlich war das Licht aus, danach fehlte eine der ausgestellten Arbeiten. Der Galerist machte lautstark seine Runde mit der Geschichte durch die Berliner Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen. In der Kunstszene nahm das niemand ernst, man sprach von einer Werbeaktion.

Wovor sich Galeristen hingegen tatsächlich hin und wieder fürchten, ist die Beschädigung oder Zerstörung von Kunstwerken. Vor allem passiert das in Fällen ideologischer Auseinandersetzungen. Man braucht dafür noch nicht einmal Regimewechsel oder Umstürze. Da reichen moralische oder identitäre Konflikte.

Der Autor ist Inhaber der Bremer Galerie K’