Tim Caspar Boehme hört auf den Sound der Stadt:
Jazzfest ist. Und dieses Jahr ist nicht einfach erneut ein Jahrgang mit viel guter improvisierter Musik. Der Nochleiter Richard Williams hat für seine letzte Ausgabe des Festivals einen ganz besonderen Gast geladen: Der US-amerikanische Schlagzeuger Tyshawn Sorey wird in gleich drei verschiedenen Besetzungen im Haus der Berliner Festspiele auftreten – Donnerstag mit seinem Trio (20 Uhr, 15 bis 55 €), Freitag im Duo mit dem Berliner Saxofonisten Gebhard Ullmann (23 Uhr, 15/10 €) und Sonntag als Dirigent eines 20-köpfigen Improvisatorenorchesters (19 Uhr, 15 bis 55 €). Sorey ist ein hochvirtuoser, furchtloser Improvisator und ein ebenso abenteuerfreudiger Komponist. Wenn es jemanden gibt, dem man so ein großes Ensemble bedenkenlos zutrauen kann, dann ihm. Auch akademisch ist er inzwischen zu höchsten Ehren gekommen. Nach seiner Promotion im Frühling an der Columbia University hat er im Herbst eine Kompositionsprofessur an der Wesleyan University angetreten und übernimmt damit den Platz des emeritierten Avantgarde-Jazz-Meisters Anthony Braxton (Schaperstr. 24).
Ganz anders betätigt sich der von Berlin aus in der Welt herumstreifende Musiker Matias Aguayo. Der hat jetzt die Band The Desdemonas gegründet, von deren Fähigkeiten man sich vorab schon mal auf dem Debütalbum „Sofarnopolis“ überzeugen kann. Und wer glaubt, dass man die Achtziger loswürde, wenn man sie mit dem Zauberwort „Retro“ bannt, kann sich bei Aguayo eines Besseren belehren lassen. Der nimmt seine Vorlieben für postminimalistische Clubmusik und Lateinamerikaeskes beherzt zusammen mit allem, was Postpunk, New Wave und Dub zu bieten haben. Und siehe, es war gut. Zu hören am Montag im Gretchen (Obentrautstr. 19-21, 20 Uhr, VVK 15 € / AK 18 €).
Unerwartetes zusammenbringen ist ansonsten oft die beste Idee. Zum Ausklang der Woche am Mittwoch bietet der Kiezsalon in der Musikbrauerei dazu Gelegenheit. Da trifft die in Hamburg ansässige US-amerikanische Pop-Auteurin Sophia Kennedy mit ihrem elektrisch angereicherten nuancenreichen Songschaffen auf den für sein elektrifiziertes Zitherspiel gefeierten praktizierenden Lachtherapeuten und Landsmann Laraaji. Dieser hat im kalifornischen Produzenten Carlos Niño einen Gleichgesinnten getroffen. Und auch wenn Laraaji seine einst herrlich reduzierten ambienthaft schwebenden, nun, himmlischen Schwingungen in jüngerer Zeit zunehmend in esoterischer Behaglichkeit artikuliert, kann man gespannt sein, wie die Begegnung mit dem HipHop-erfahrenen Niño ausgehen wird (Greifswalder Str. 23 a, 20.30 Uhr, 8 €).
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