Editorial von Amna Franzke
,Marlene Halser
und Dinah Riese
: Die andere Seite

Frauen posten #MeToo, um öffentlich deutlich zu machen, dass auch sie sexualisierte Gewalt erlebt haben – in welcher Form auch immer. Die Flut an Posts unter diesem Hashtag ist schon ob der schieren Masse eindrucksvoll.

Was aber fehlt oder nur sehr zaghaft und vereinzelt kommt, sind Äußerungen von Männern. Ein kritisches Hinterfragen, ob es vielleicht auch in ihrem Leben Ereignisse und Begegnungen gab, bei denen sie sich falsch verhalten haben – wissentlich oder unwissentlich. Oder Situationen, in denen es richtig gewesen wäre, einzugreifen oder zu widersprechen. Viele Männer bleiben stumm. Doch zu jedem Übergriff gehört auch jemand, der ihn begeht oder nicht verhindert.

Einen Dialog kann es nur geben, wenn alle daran teilnehmen, die das Thema sexualisierte Gewalt betrifft. Und das sind eben auch die Männer. Deshalb haben wir unsere taz-Kollegen gebeten, ihr eigenes Leben auf solche Erlebnisse hin abzuklopfen.

Nicht alle fanden unsere Frage gut. Einige fühlten sich zu Unrecht auf die Täterrolle reduziert und protestierten aufgebracht. Andere verwiesen darauf, dass auch Männer Erlebende von sexualisierter Gewalt sind – eine Perspektive, die wir wichtig finden und nicht verschweigen wollen. Auch geht es um Situationen, die Männer wie Frauen erleben können – als Nichthandelnde. Trotzdem sind wir der Meinung, dass genau jetzt der Moment ist, um über Gewalt gegen Frauen zu sprechen. Und über Männer, die daran beteiligt sind.

Wieder andere wollten nicht mitmachen, weil sie fürchteten, durch ihre Schilderungen ungefragt die Anonymität der Betroffenen zu gefährden. Oder weil sie es für falsch halten, mutmaßlichen Tätern so einen zu einfachen moralischen Ausweg zu bieten. Und manche sagten, sie hätten solche Situationen noch nie erlebt.

Einige Kollegen jedoch haben uns von ihren Erlebnissen erzählt. Fast allen gemein ist eine große Verunsicherung: Wo ist die Grenze? Hätte ich etwas tun sollen – und wenn ja: was? Ihre Protokolle veröffentlichen wir auf deren Bitte hin anonym und zum Teil zum Schutz der Beteiligten leicht verfremdet – in der Hoffnung, dass ihre Schilderungen die Debatte weiterführen. Denn nur wenn wir alle das Schweigen brechen und reflektieren, was wir warum tun und nicht tun, können wir lernen, wie es in Zukunft vielleicht besser geht.

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