: „Man verliert gemeinsam“
Anja Stoeck hat als Spitzenkandidatin der Linken in Niedersachsen gekämpft und ist dann knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Den amtierenden Ministerpräsidenten macht sie dafür mitverantwortlich
Interview Andrea Scharpen
taz: Frau Stoeck, warum halten die Wähler in Niedersachsen Ihre Partei für überflüssig?
Anja Stoeck:Das tun sie nicht. Es haben uns immerhin 4,6 Prozent der Menschen gewählt. Das ist alles andere als überflüssig. Es hat halt nicht für fünf Prozent gereicht.
Schon wieder nicht.
Wenn man aus der außerparlamentarischen Opposition kommt, ist es schwierig, den Sprung zu schaffen. Wir haben 1,5 Prozent und damit rund 65.000 Stimmen mehr gegenüber 2013. Außerdem haben wir wahnsinnig viele Parteieintritte gehabt, über 300 seit August. Das finde ich gut.
Sie sind zufrieden, obwohl Sie nicht in den Landtag eingezogen sind?
Ja, obwohl es schöner gewesen wäre, wenn wir reingekommen wären.
Ministerpräsident Stephan Weil hat im Wahlkampf gesagt, er wolle die Linke aus dem Landtag halten. Machen Sie ihn nun für Ihr Ergebnis verantwortlich?
Nicht alleine. Aber ich glaube, dass er damit typische SPD-Wähler mobilisiert hat und sicher auch ein paar Wähler, die eigentlich Linke gewählt hätten. Überhaupt war dieses Kopf-an-Kopf-Rennen schlecht für die kleinen Parteien. Und dann gab es noch diese Kampagne der CDU über das Schreckgespenst Rot-Rot-Grün. Das hat wiederum die CDU-Wähler mobilisiert. Hinzu kommt, dass wir natürlich nicht so präsent waren wie die großen Parteien.
Es gab keine Plakatkampagne zum Landtagswahlkampf. Ärgern Sie sich nun darüber, dass Sie nicht mehr investiert haben?
Ich glaube nicht, dass Plakatierung wahlentscheidend ist. Deshalb finde ich die Entscheidung, dass wir nur ein Themenplakat: „sozial gerecht, ökologisch konsequent, unbestechlich“ geklebt haben, nach wie vor richtig. Wir haben ansonsten die Plakate der Bundestagswahl verwendet und mit Störaufklebern auf Niedersachsen hingewiesen. Thematisch haben sie zum größten Teil gepasst, etwa bei Themen wie soziale Gerechtigkeit in der Bildung oder sozialem Wohnungsbau. Der Wahlkampf ist eine Kraftanstrengung. Wir plakatieren alles selber, zu Fuß, per Hand, ehrenamtlich. Die großen Parteien engagieren dafür Firmen.
Bei der Bundestagswahl haben in Niedersachsen sieben Prozent der Menschen für die Linke gestimmt. Was war bei der Landtagswahl anders?
Wir schneiden in Landtagswahlen grundsätzlich schlechter ab als im Bund. Linke Wähler scheinen die Bundesthemen am wichtigsten zu finden.
Kippeln Sie nach der Niederlage als Landesvorsitzende?
Da warten wir mal nächstes Wochenende den Parteitag ab. Aber ich denke nicht. Es herrscht bei uns eher die Auffassung vor: Man macht eine Kampagne gemeinsam, die Wahl gemeinsam und man verliert schlimmstenfalls auch gemeinsam.
Gibt es etwas, das sie in den nächsten fünf Jahren politisch umsetzen wollen, obwohl Sie nicht im Landtag sind?
Schon vor den Wahlen haben wir als niedersächsischer Landesverband eine Volksinitiative für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer initiiert. Wir wollen die Landesregierung dazu auffordern, sich über eine Bundesratsinitiative für eine solche Steuer, die ab über einer Million Euro greifen würde, einzusetzen. Wenn wir genügend Unterschriften haben, ist das Parlament verpflichtet, sich mit dem Thema zu befassen. Die Steuer ist eine der Grundlagen dafür, wie man soziale Gerechtigkeit finanziert.
Und in Ihrer Partei? Was wollen Sie ändern, um in Zukunft mehr Erfolg zu haben?
Wir wollen zum Beispiel die kommunale Arbeit noch mehr vernetzen und den Parteiaufbau vor Ort betreiben. Gerade in ländlichen Kreisverbänden haben wir nach wie vor weiße Flecken. Dort wollen wir mehr Veranstaltungen und Stände machen.
Was sagt es über unsere Gesellschaft aus, wenn die Linke scheitert, die AfD aber in den Landtag einzieht?
Die SPD hat in Niedersachsenfür diese Woche die anderen Parteien – außer die AfD – zu Gesprächen eingeladen.
Schon an der Reihenfolgekann man die Koalitionspräferenzen der Sozialdemokraten ablesen: Am Dienstag kommen die Grünen, am Mittwoch die FDP und am Donnerstag die CDU.
Die Ankündigungder bisherigen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt, nicht noch einmal für das Amt zur Verfügung zu stehen, soll wohl der FDP, aber auch der CDU eine Koalition schmackhafter machen. Beide Parteien hatten Heiligenstadts Bildungspolitik heftig kritisiert.
Aus FDP-Kreisenhieß es aber schon, dass die Partei trotzdem nicht von ihrer Ampel-Blockade abrücken wird.
Es ist positiv, dass die AfD in Niedersachsen zum Glück nicht so viele Stimmen bekommen hat wie bundesweit. Doch auch hier gilt, dass man mit populistischen Themen leichter punkten kann als mit Argumenten. Alle demokratischen Parteien müssen dieser Rechtsentwicklung entgegensteuern und überlegen, wie man den Menschen ihre Angst nimmt.
Alles sieht nach einer großen Koalition aus. Was heißt das für Niedersachsen?
Das warten wir mal ab. Ich könnte mir vorstellen, dass die nächste Koalition auch Jamaika sein könnte. SPD und CDU haben so einen harten Wahlkampf gegeneinander gemacht.
Was würden Sie von so einem Jamaika-Bündnis halten?
Ich fände es natürlich schlecht. Wenn CDU und FDP dabei sind, bedeutet das, dass Großunternehmen Geld bekommen und Autobahnen gebaut werden. Da fehlt das soziale und ökologische Korrektiv. Die Grünen können mit ihrem Ergebnis ja auch keine riesigen Ansprüche stellen.
Welche Koalition würden Sie sich wünschen?
Ich weiß wirklich nicht, was man sich da wünschen kann. Herr Weil hat sich damit, dass er uns aus dem Parlament halten wollte, verrechnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen